46. RJR Tagung in Mannheim

„Medien. Macht. Musik: Jazz-Klischees in der Diskussion“

In Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim

19./20. Oktober 2023

Wenn von einem Klischee die Rede ist, ist der Vorwurf nicht weit. Das gilt erst recht für improvisierte Musik wie dem Jazz. Bestimmte Jazz-Phänomene als „klischeehaft“ abzuwerten ist üblich; dem Stehen Aufwertungen durch Adjektive wie „authentisch“ gegenüber. Doch sind solche Urteile nicht schon selbst wieder klischeehaft?

Dies führt zur Überlegung, dass bestimmte Zuschreibungen nicht von vornherein als Klischees gegeben sind, sondern erst in einem Prozess nach und nach zu Klischees erstarren. Wodurch aber werden Zuschreibungen zu Klischees?

Hier kommt die Musik- und Medienindustrie ins Spiel, zusammen mit journalistischem und wissen-schaftlichem Reden bzw. Schreiben, aber auch Aussagen von Musikerinnen und Musikern selbst, die den Diskurs bestreiten. Durch allzu häufige, pauschale, also unreflektierte Verwendung eigentlich spezifischer Begriffe kann deren Semantik zum bloßen Etikett verfallen. Aber auch etwa dadurch, dass die Begriffe sich nicht mehr mit ihrer einstigen Bedeutung in Einklang bringen lassen, weil musikalische Entwicklungen bestimmte Ausprägungen hinter sich gelassen haben.

Doch bei der Diskussion von Klischees in der Musik im Allgemeinen und im Jazz im Speziellen kann es nicht nur um begriffliche Zuschreibungen gehen. Vielmehr geraten auch musikalische Phänomene in den Blick. Man denke nur an individuelle Licks oder den „eigenen Sound“ von Improvisierenden als Ausdruck einer originellen Persönlichkeit. Auch hier stellen sich analog die Fragen: Wie lange kann ein individuell geprägter Lick oder der „eigene“ Sound als Kriterium für Authentizität gelten? Wodurch und wann erstarren solche Eigenheiten zum Klischee?

Doch selbst die eindeutig negative Konnotation von Klischees lässt sich hinterfragen. Denn: Werden gelingende Jazz-Prozesse nicht gerade auch durch jeweils aktualisiertes improvisatorisch-kreatives Zu-sammenspiel mit Klischees deutlich? Und: Braucht das Sprechen und Schreiben über Jazz für einen kommunikativ gelingenden Diskurs nicht auch Klischees?

Verschiedene mediale und musikalische Facetten geraten in den Blick: Hans-Jürgen Linke bespricht Fragen zum Wechselspiel zwischen Jazz und Medien: Wie können Medien den Charakter der Musik, die sich auf ihnen verbreitet, beeinflussen? Oder schafft sich die Musik ihr angemessenes Medium? Jürgen Arndt hinterfragt die Funktion von Klischees im Diskurs wie in der Praxis des Jazz. Stefan Hentz, Michael Rüsenberg und Arne Schumacher diskutieren – nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer eigenen jahrzehntelangen journalistischen Erfahrungen – allgemeine Fragen und konkrete Beispiele von Klischees. Kai Lothwesen untersucht Klischees, die sich in den 1960er Jahren zum Free Jazz gebildet haben. Gabriele Maurer befragt gegenwärtige Social-Media-Aktivitäten von Musikerinnen und Musikern nach Art und Funktion von Klischees zur Präsentation ihrer Jazz-Aktivitäten. Schließlich weitet Christofer Jost den Blick über den Jazz hinaus; er befasst sich unter der Überschrift „Formeln der Könnerschaft“ mit verschiedenen Ausprägungen des Virtuosen in populären Musikformen.

Donnerstag, 19.10.2023, 13-18 Uhr, Kammermusiksaal

Hans Jürgen Linke (Gießen): Medien machen Musik

Jürgen Arndt (Mannheim): Notwendigkeit und Fragwürdigkeit von Klischees im Jazz

Podiumsgespräch zu Klischees im Jazz mit Stefan Hentz (Hamburg), Michael Rüsenberg (Köln), Arne Schumacher (Bremen) [Moderation: Jürgen Arndt]

Freitag, 20.10.2023, 9-13 Uhr, Kammermusiksaal

Kai Lothwesen (Trossingen): Free Jazz-Klischees

Gabriele Maurer (Mannheim): Jazz-Klischees in Social Media

Christofer Jost (Freiburg): Formeln der Könnerschaft. Über Virtuosität in den artistischen Praktiken der populären Musik

Änderungen vorbehalten, Programm, Stand 26.4.2023