Radio Jazz Research unterstützt den Aufruf der Deutschen Jazzunion:

Pressemitteilung Keine Reduzierung des Jazz-Angebots in der ARD! Deutsche Jazzunion fordert ARD-Intendanzen zur Transparenz auf Berlin, 02.11.2023 | Die Deutsche Jazzunion fordert die Intendanzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu mehr Transparenz auf. Die geplanten Umstrukturierungen im Kulturangebot der ARD-Radiosender erfordern die Einbeziehung der Fachexpertise von Berufsverbänden und Szeneakteur*innen. Die Deutsche Jazzunion hatte im September einen offenen Brief an die Verantwortlichen der ARD gerichtet, der bereits von über 2.300 Institutionen und Personen mitgezeichnet wurde. In einer Stellungnahme des Arbeitskreises Medien der Deutschen Jazzunion heißt es: >> Die Rundfunkanstalten der ARD planen für ihre Radioangebote derzeit die Zusammenlegung von Sendestrecken ihrer Kulturwellen. Die offizielle Informationslage ist derweil dünn – die Vorbereitungen und Verhandlungen finden weitestgehend hinter verschlossenen Türen statt. Nach bisherigen Verlautbarungen aus dem Kreis von ARD-Programm-Verantwortlichen betreffen die geplanten Änderungen insbesondere die Abendstrecke zwischen 20.00 und 24.00 Uhr. Anstelle der bisherigen Vielfalt mit eigenen regionalen Kulturprogrammen soll es offenbar im Hörfunk der ARD ein bis zwei zentral gestaltete Programme geben, die am Abend bundesweit ausgestrahlt werden. Damit sollen zahlreiche Sendungen, gerade auch jene mit regional ausgerichteten und spezifischen Inhalten, eingestellt werden. An ihre Stelle sollen vereinheitlichte Sendungen zu verschiedenen Kulturbereichen treten. Der damit einhergehende Verlust an kulturjournalistischer Vielfalt sowie an regionalen und lokalen Programminhalten ist dramatisch und betrifft alle Kultursparten – ganz besonders aber Jazz, Klassik und zeitgenössische E-Musik. Das wirft Fragen auf zum aktuellen Selbstverständnis der ARD sowie zum Kultur- und Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Letzterer wurde als föderales System mit dem Ziel von Vielfalt und Vielstimmigkeit als Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung geschaffen. Eine Verlagerung in das digitale Angebot birgt bei ausreichender Berücksichtigung des Jazz zwar Potenzial, kann aber kein Ersatz für die Erfüllung des Auftrags im linearen Programm sein. Exemplarisch sind die absehbaren Folgen für den Gesamtbereich Jazz gravierend. Die geplante Zentralisierung wird die Sicht- und Hörbarkeit des Jazz in all seiner Vielfalt schmälern und zu weniger Produktionen und exklusiven Programminhalten in den Kulturradios der ARD führen. Und neben der Zahl der Sendestrecken für Konzertmitschnitte droht sich auch die Zahl der Studioproduktionen zur Förderung und Entwicklung des Jazzgeschehens in Deutschland in der Folge deutlich zu verringern. Dem Publikum wird damit die Vorabinformation über lokale Konzerte und Festivals nahezu vollständig genommen, Veranstalter*innen müssen damit rechnen, Konzertbesucher*innen zu verlieren. Das heißt: weniger Auftrittsmöglichkeiten und weniger Einnahmen für die Musiker*innen und somit weniger Präsenz in der Öffentlichkeit – dem Jazz als für die gesellschaftliche Selbstverständigung relevanter, künstlerischer Musikgattung droht in Deutschland das Aus. Davon betroffen werden auch die vier Bigbands der ARD sein, deren Livekonzerte und Mitschnitte in der Regel auf den ARD-Kulturwellen ab 20 Uhr ausgestrahlt werden – ein enormer Verlust für die internationale Strahlkraft des Jazz aus Deutschland. Dabei ist dies die Musikform, die direkt gesellschaftliche Entwicklungen kommentieren und unterstützen kann, quasi aus dem Moment heraus. Jazz steht auch und gerade für Integration, die Sicht- und Hörbarkeit von Minoritäten, Diversität, für grenzüberschreitenden kulturellen Austausch, kollektives Miteinander, Selbstermächtigung und individuelle Freiheit des Ausdrucks. Das hat in unserer Zeit eine große gesellschaftliche Relevanz. Angesichts dessen ist es umso unverständlicher, dass die ARD Umfang und Vielfalt des Jazzangebots drastisch reduzieren will. Die Pläne der ARD zur Zusammenlegung von Sendestrecken der Kulturwellen sind somit weit mehr als einfach nur eine weitere Programmreform. Sie sind sogar umso fragwürdiger, als sie keinen spürbaren „Spareffekt“ bringen werden. Hier handelt es sich offenkundig um reinen Aktionismus. Deshalb fordern wir: eine öffentliche, transparente Darlegung der Pläne durch die ARD; eine offene Diskussion unter Einbeziehung von Vertretungen aller betroffenen Kulturbereiche; die Befassung des Ausschusses für Kultur und Medien des Dt. Bundestags mit der Angelegenheit; die Befassung der Kultur-AG der Kulturminister*innen-Konferenz. Zudem wiederholen wir die zentralen Forderungen aus dem offenen Brief der Deutschen Jazzunion: Keine Zusammenlegung von Sendestrecken; kein Abbau, sondern Erhalt und Ausbau des linearen Jazzangebots in den öffentlich-rechtlichen Kulturwellen – vor allem am Tag; keine Reduzierung, sondern Erhalt und Ausbau des Sendevolumens, von Konzert- und Festivalmitschnitten, von Autor*innen-Sendungen sowie regionaler Berichterstattung; ein klares Bekenntnis der ARD zur Bedeutung und Vielfalt des Jazz und ein entsprechend verbessertes, auch regional ausgerichtetes Angebot! << Im Arbeitskreis Medien der Deutschen Jazzunion treten Medienvertreter*innen aus Rundfunk, Print und Online mit Vertreter*innen des Berufsverbands der Jazzmusiker*innen zusammen, um an übergreifenden Fragestellungen zu arbeiten. Der offene Brief «Kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ohne Jazz!» kann weiterhin unter www.deutsche-jazzunion.de/kein-rundfunk-ohne-jazz mitgezeichnet werden. Diese Pressemitteilung auf der Webseite der Deutschen Jazzunion |
Jazzcity.de mit freundlicher Genehmigung des Autors: Maximilian Hendler.

„Medien. Macht. Musik: Jazz-Klischees in der Diskussion“
In Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim, Tagungsort: N7 18, 68161 Mannheim
Wenn von einem Klischee die Rede ist, ist der Vorwurf nicht weit. Das gilt erst recht für improvisierte Musik wie dem Jazz. Bestimmte Jazz-Phänomene als „klischeehaft“ abzuwerten ist üblich; dem Stehen Aufwertungen durch Adjektive wie „authentisch“ gegenüber. Doch sind solche Urteile nicht schon selbst wieder klischeehaft?
Dies führt zur Überlegung, dass bestimmte Zuschreibungen nicht von vornherein als Klischees gegeben sind, sondern erst in einem Prozess nach und nach zu Klischees erstarren. Wodurch aber werden Zuschreibungen zu Klischees?
Hier kommt die Musik- und Medienindustrie ins Spiel, zusammen mit journalistischem und wissen-schaftlichem Reden bzw. Schreiben, aber auch Aussagen von Musikerinnen und Musikern selbst, die den Diskurs bestreiten. Durch allzu häufige, pauschale, also unreflektierte Verwendung eigentlich spezifischer Begriffe kann deren Semantik zum bloßen Etikett verfallen. Aber auch etwa dadurch, dass die Begriffe sich nicht mehr mit ihrer einstigen Bedeutung in Einklang bringen lassen, weil musikalische Entwicklungen bestimmte Ausprägungen hinter sich gelassen haben.
Doch bei der Diskussion von Klischees in der Musik im Allgemeinen und im Jazz im Speziellen kann es nicht nur um begriffliche Zuschreibungen gehen. Vielmehr geraten auch musikalische Phänomene in den Blick. Man denke nur an individuelle Licks oder den „eigenen Sound“ von Improvisierenden als Ausdruck einer originellen Persönlichkeit. Auch hier stellen sich analog die Fragen: Wie lange kann ein individuell geprägter Lick oder der „eigene“ Sound als Kriterium für Authentizität gelten? Wodurch und wann erstarren solche Eigenheiten zum Klischee?
Doch selbst die eindeutig negative Konnotation von Klischees lässt sich hinterfragen. Denn: Werden gelingende Jazz-Prozesse nicht gerade auch durch jeweils aktualisiertes improvisatorisch-kreatives Zu-sammenspiel mit Klischees deutlich? Und: Braucht das Sprechen und Schreiben über Jazz für einen kommunikativ gelingenden Diskurs nicht auch Klischees?
Verschiedene mediale und musikalische Facetten geraten in den Blick: Hans-Jürgen Linke bespricht Fragen zum Wechselspiel zwischen Jazz und Medien: Wie können Medien den Charakter der Musik, die sich auf ihnen verbreitet, beeinflussen? Oder schafft sich die Musik ihr angemessenes Medium? Jürgen Arndt hinterfragt die Funktion von Klischees im Diskurs wie in der Praxis des Jazz. Stefan Hentz, Michael Rüsenberg und Arne Schumacher diskutieren – nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer eigenen jahrzehntelangen journalistischen Erfahrungen – allgemeine Fragen und konkrete Beispiele von Klischees. Kai Lothwesen untersucht Klischees, die sich in den 1960er Jahren zum Free Jazz gebildet haben. Gabriele Maurer befragt gegenwärtige Social-Media-Aktivitäten von Musikerinnen und Musikern nach Art und Funktion von Klischees zur Präsentation ihrer Jazz-Aktivitäten. Schließlich weitet Christofer Jost den Blick über den Jazz hinaus; er befasst sich unter der Überschrift „Formeln der Könnerschaft“ mit verschiedenen Ausprägungen des Virtuosen in populären Musikformen.
Tag 1
Hans Jürgen Linke (Gießen): Medien machen Musik
Jürgen Arndt (Mannheim): Notwendigkeit und Fragwürdigkeit von Klischees im Jazz
Podiumsgespräch zu Klischees im Jazz mit Stefan Hentz (Hamburg), Michael Rüsenberg (Köln), Arne Schumacher (Bremen) [Moderation: Jürgen Arndt]
Tag 2
Kai Lothwesen (Trossingen): Free Jazz-Klischees
Gabriele Maurer (Mannheim): Jazz-Klischees in Social Media
Christofer Jost (Freiburg): Formeln der Könnerschaft. Über Virtuosität in den artistischen Praktiken der populären Musik
Änderungen vorbehalten, Programm, Stand 26.4.2023
Tagungen 47.-48. Radio Jazz Research-Themen in Bad Goisern und Siegburg
47. RJR-Thema:
Jazz in den europäischen Medien. Historische Betrachtungen und aktuelle Strömungen
Im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl, Salzkammergut 2024: 25.-26. April 2024
48. RJR-Thema:
Zur aktuellen Situation der Medien im Jazz
Siegburg, 13.-14. September 2024