Aktuelles

48. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Radio Jazz – Gegenwart und Zukunft
Siegburg,  Abtei Michaelsberg, 12.-14. September  2024

49. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Wild Card – Offene Themen (Mitglieder und Gäste)
In Verbindung mit Internationalem Jazzfestival Münster (3.-5. Januar 2025)
Münster, 2.-4. Januar 2025

50. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: 50 Tagungen – Rückblicke, Entwicklungen und Perspektiven
In Verbindung mit InnTöne-Festival (18.-20. Juli 2025)
Diersbach (Österreich), 17.-19. Juli 2025

51. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Jazz und Politik in Deutschland
In Kooperation mit dem Lippmann+Rau-Musikarchiv
Eisenach, 16.-18. April 2026

52. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Bücher, Bücher – Begegnungen mit neuer Jazzliteratur
In Kooperation mit dem Förderverein Jazz Hansestadt Lübeck e.V
Lübeck, September 2026

OHNE GEWÄHR

12.-14. September  2024
13. September 2024. 14.30 Uhr

Das RJR-Porträt01.
Thomas Mau (Moderation)
Die Klarinettistin und Festivalmacherin Annette Maye

14. September 2024. 10.00 Uhr
Das RJR-Porträt02
Ulrich Habersetzer (Moderation)
Die Flötistin und Bandleaderin Stephanie Wagner

Neue Perspektiven bringen neue Präsentationsweisen hervor, so auch bei der 48. Tagung der Arbeitsgruppe Radio Jazz Research (RJR). Erneut werden sich Austausch und Diskussion um die mediale Repräsentanz des Jazz drehen. Beim vorigen Treffen (47. Tagung, Bad Goisern/Österreich) war das Thema vorrangig aus der Perspektive seiner historischen Entwicklung aufbereitet worden. Diesmal wählt Radio Jazz Research beim Blick auf das Verhältnis von Jazz und Rundfunk eine eher ungewohnte Perspektive: Es ist der Versuch, aus einer Sichtung der Gegenwart einen Blick in die Zukunft zu werfen. Während in Bad Goisern Einzelvorträge den Diskurs anstießen und lenkten, wird bei der RJR-Tagung in Siegburg versucht, verschiedene Sichtweisen in Form von Paneldiskussionen zu umreißen.

Neu eingeführt wird – unabhängig vom Leitthema – die Reihe RJR-Portraits. In Gesprächsportraits werden Musikerinnen bzw. Musiker vorgestellt. Dabei soll neben biographischer Information und ästhetischer Analyse auch die Sinnlichkeit ihrer eigentlichen, nämlich musikalischen Arbeit zur Geltung kommen. In Siegburg wird Ulf Drechsel, ehemaliger Jazzredakteur des rbb, die Kölner Klarinettistin Annette Maye präsentieren, und Ulrich Habersetzer von der Jazz-Redaktion des Bayerischen Rundfunks öffnet ein Fenster zu der Flötistin Stephanie Wagner und ihrer Musik.

In Anbetracht der aktuellen, sich rasant fortentwickelnden Diskussionen um Reformen des Gefüges des öffentlichen Rundfunks, ist es kaum zu vermeiden, den aktuellen Stand der Bestrebungen zur „Reform“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in Deutschland zu einem Punkt des Tagungsprogramms zu machen. Zum erklärten Programm der Leitungsetagen der in der ARD zusammengeschlossenen Anstalten gehört es, in möglichst vielen Themenbereichen die Zahl parallel arbeitender Fachredaktionen drastisch zu reduzieren. Der Jazz ist in dieser Hinsicht nur einer von vielen Bereichen, allerdings einer, für dessen Lebensfähigkeit die Kooperation mit den Jazzredaktionen von besonderer Bedeutung ist. Weniger Programmstunden zum Thema Jazz bedeuten weniger eigene Musikproduktionen, weniger eigene Klangkörper, weniger Förderung für regionale Musiker, weniger ästhetische Bandbreite und Tiefgang. Eine Verödung des Diskurses steht zu befürchten. So dient das Gespräch von Bernd Hoffmann (Jazzforscher und ehemaliger Jazzredakteur WDR) mit Ulf Drechsel und dem Hamburger Autor Stefan Hentz zum aktuellen Stand als Achse, um die herum sich Gespräche zu verschiedenen Handlungsfeldern der Kooperation zwischen Jazz und dem Medium Rundfunk gruppieren.

Einen ersten Einstieg ins Thema bietet mit Das Jazz-Radio der Zukunft, eine Gesprächsrunde, in der der WDR-Moderator Thomas Mau aus Wuppertal, die Hamburger Tonmeisterin Tamara Bendig, der Gießener Musikjournalist Hans-Jürgen Linke und Ulrich Habersetzer vom BR aus München versuchen, einige Dimensionen des aktuellen Bildes in die Zukunft zu extrapolieren.

In der Gesprächsrunde Jazz und seine mediale Vergänglichkeit kommt Arne Schumacher, freier Musikjournalist und vormals Redakteur bei Radio Bremen, mit Oliver Weindling vom Jazzclub Vortex aus London, Stefan Hentz, Ö1-Jazzredakteur Andreas Felber aus Wien sowie der Archivar Andreas Kisters von Radio Bremen auf jazzhistorische Schätze zu sprechen, die sich über die Jahrzehnte in den Archiven der ARD-Anstalten angesammelt haben und die es zu bewahren gilt. Einige davon kommen nach und nach wieder an das Licht der interessierten Öffentlichkeit. Generell stellt sich die Frage: Wie ist der Zugang zu den jazzhistorischen Quellen in den Archiven der ARD?

Weitere Aspekte der anstehenden Veränderungen der Jazzpräsentation im Radio erörtert Bernd Hoffmann im Gespräch Die Festivals und ihre medialen Präsentationen mit Urs Röllin vom (Schaffhausen Festival) und Paul Zauner (InnTöne), den Kuratoren zweier der wichtigsten Festival-Institutionen direkt hinter den deutschen Grenzpfosten.

Arne Schumacher befragt den mit dem Innenleben der WDR-Big Band wohlvertrauten Kölner Jazzjournalisten Jörg Heyd unter dem sprechenden Titel In a Sentimental Mood – zur Stimmungslage der ARD Klangkörper. Ulf Drechsel wiederum hält in der Gesprächsrunde Das Jazzradio: Information, Inspiration, Interaktion, einem Dreiergespräch mit Annette Maye und dem Saxofonisten Marcus Bartelt, Ausschau nach frischen Bestrebungen, jenseits des Einzugsbereichs der öffentlich-rechtlichen Anstalten respektables Jazz-Radio auf der Höhe der Zeit zu ermöglichen.

Den Reigen der Gespräche rundet schließlich die Podiumsdiskussion War es das? ab, in der Bernd Hoffmann mit der Geschäftsführerin der Deutschen Jazzunion, Camille Buscot, der Flötistin Stephanie Wagner, sowie den RJR-Mitgliedern Ulf Drechsel, Arne Schumacher und Oliver Weindling die Ergebnisse dieser 48. RJR-Tagung zusammenfasst und Perspektiven für kommende Radio Jazz Research-Tagungen entwickelt.

sth

47. RJR Tagung
Im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl, Salzkammergut 2024

Jazz in den europäischen Medien.
Historische Betrachtungen und aktuelle Strömungen

Bad Goisern, Goiserer Mühle 24.- 26. April 2024

In ihrer 47. Arbeitstagung in Bad Goisern fokussierte die Arbeitsgruppe Radio Jazz Research ihr Thema auf die Beziehungen zwischen Jazz und den Medien Hörfunk und TV, eine zweitägiges Meeting im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas (Salzkammergut 2024), maßgeblich unterstützt von den Jazzfreunden Bad Ischl und ihrem vitalen Konzertprogramm.

Schon bei der ersten Präsentation, in der die Amsterdamer Medienwissenschaftlerin Carolyn Birdsall von ihren Recherchen in europäischen Rundfunkarchiven aus den Jahren 1930-1940 berichtete, spielte das Thema der Speicherung und Bewahrung von Sendematerial, konkret der Aufzeichnung von Musik im Allgemeinen und von Jazz nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch klang schon an dieser Stelle sehr deutlich eine Grundüberzeugung durch, die im Grunde genommen in allen Beiträgen der Tagung in jeweils modifizierter Form formuliert wurde: Die Arbeit an der Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen dem Rundfunk und einer künstlerisch inspirierten Form von Musik wie dem Jazz ist Arbeit an einem aufgeklärten Selbstverständnis der europäischen Gesellschaften zu ihrer Vergangenheit und also zu sich selbst.

Die zentrale Bedeutung einzelner Protagonisten für die weltweite Verbreitung des Jazz unterstreicht die Arbeit des Historikers und Musikwissenschaftlers Rüdiger Ritter, der den medialen Marketing-Strategien und der Wirkung der Arbeit des legendären US-Radio-DJ Willis Conover nachforscht. Conover hatte von 1955 bis kurz vor seinem Tod 1996 in einem Strauß von Hörfunksendungen auf dem US-amerikanischen Auslandssender „Voice of America“ die frohe Botschaft des Jazz in die Welt getragen und ganz besonders in die Teile der Welt, die hinter dem Eisernen Vorhang lagen. Conover transportierte nicht nur amerikanischen Jazz in den sogenannten Ostblock, sondern baute bei seinen Festivalbesuchen in Polen und der Tschechoslowakei, in Ungarn und der Sowjetunion mit seinem Interesse an der dort entstehenden Jazzmusik eine Rückkopplungsschleife auf, die den Jazz vor Ort  in das internationale Programm hob und damit wiederum die lokalen Szenen bestärkte.

Drei Referenten, der Jazz- und Medienforscher und frühere WDR Jazzredakteur Dr. Bernd Hoffmann, Tim Wall, Professor of Radio and Popular Music Studies aus Birmingham und Dr. Andreas Felber, aktueller Jazzredakteur bei Ö1 in Wien, thematisierten die Bedeutung der Vermittlungsarbeit öffentlicher Rundfunkanstalten für die jeweiligen Jazzszenen in Deutschland, Österreich und Großbritannien: Hoffmann stellte in seinem Vortrag sechs Fernseh-Sendereihen der 1950er- und 1960er-Jahre aus dem Sendeverbund der ARD (von HR, NDR, SWF, SFB, RB und WDR) vor und analysierte die thematisch sehr unterschiedlichen journalistischen und künstlerischen Profile in der Darstellung improvisierten Musik. Die Häufigkeit ausgestrahlter Ausgaben wie „Jazz – gehört und gesehen“, „Jazz für junge Leute“ oder die „Notizen aus der Jazz-Werkstatt“ überrascht, zwischen 1955-1966 wurden über 122 Fernsehproduktionen gesendet.  Tim Wall skizzierte die Entwicklung der Jazzrezeption in Großbritannien anhand der verschiedenen Zielgruppen zugeordneten Programmschienen der zentralisierten Radio- und Fernsehanstalt BBC und bezog auch die inhaltliche Arbeit des legendäre Fernsehprogramms „Jazz 625“(1964-1966) mit ein. Wie bei Hoffmann überwiegen bei „Jazz 625“ die Sendungen mit nationalem Modern Jazz, in ihrer Anzahl direkt gefolgt von den neotraditionell spielenden Ensembles. Andreas Felber unterstrich schließlich die noch immer erfreulich stabile Entwicklung des Programmsegments Jazz in der Kulturwelle Ö1 (Hörfunk ORF) und verwies in diesem Zusammenhang auf die hohe Akzeptanz der Arbeit der Ö1-Jazzredaktion in der österreichischen Szene, die sich bisher bei auch hierzulande gelegentlich auftretenden Impulsen, den Umfang dieser Form von zeitgenössischer Kulturarbeit und Gegenwartsreflexion weiter einzudämmen, als Schutzwall mobilisieren ließ. Den entscheidenden Beitrag zur Resilienz dieses Programms muss man auch hier in der historischen Reihe handelnder Protagonisten u.a. von Moderator Walter Richard Langer oder dem früheren Ö1-Jazzredakteur Herbert Uhlir suchen .

Einen Seitenblick in eine andere Medienwelt lieferte zum Abschluss der Tagung die Podcasterin Tara Minton aus London, die zusammen mit ihrem Co-Host Rob Cope in radikaler Selbstausbeutung im Do-it-yourself-Verfahren einen Podcast hostet und betreibt. „The Jazz Podcast“ ist ein Gesprächspodcast, der, vertrauend darauf, dass es den beiden Hosts als Musiker:innen gelingen wird, Nähe zu ihren Gästen und einen spannenden Gesprächsverlauf aufzubauen, ohne große theoretische und ästhetische Umschweife (und gelegentlich  auch ohne Musik) technisch weitgehend unbearbeitete Gespräche mit Musikern präsentiert. Ein Gegenpol zu dem journalistischen Professionalismus all der anderen Darbietungen, die bei dieser Tagung Thema waren: schnell, direkt, enthusiastisch. Und damit nähert sich „The Jazz Podcast“ ungewollt  dem Rekurs europäischer Jazzszenen der frühen Nachkriegsjahre, interessiert am Tun und unbekümmert um den Stand der Diskurse.

Die Zukunft des Journalismus?  

Stefan Hentz

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