MESSE BREMEN | jazzahead! 2023 | Götz Bühler rückt ins Leitungsteam nach

Ulrich Beckerhoff und Peter Schulze hören nach dieser jazzahead! auf

Mittwoch, 15. Februar 2023 · Nach dieser jazzahead! ist Schluss: Ulrich Beckerhoff und Peter Schulze, die Künstlerischen Leiter des großen Jazz-Branchentreffs, verkünden ihren Abschied. Nach 17 Jahren wolle man den Weg nun für die nächste Generation freimachen, so die beiden unisono. Und ein Nachfolger steht bereits fest: Es ist der Hamburger Musikjournalist, Autor und Moderator Götz Bühler, der erklärte Wunschkandidat des gesamten Leitungsteams. Beckerhoff war von der ersten Ausgabe der jazzahead! im Jahre 2006 als Künstlerischer Leiter tätig, Schulze wirkte von Beginn an als Berater mit, ehe er 2013 auch offiziell der Künstlerischen Leitung angehörte. Bühler bildet damit ab dem kommenden Jahr mit der Projektleiterin Sybille Kornitschky die neue Doppelspitze.

„Es ist jetzt einfach an der Zeit, den Staffelstab weiterzugeben“, sagt Beckerhoff, „wir haben in der Vergangenheit viel auf den Weg gebracht, aber jetzt sollten andere, jüngere Leute ran.“ Die Jazz-Szene sei insgesamt wieder einmal im Umbruch, eine neue Generation übernehme, so Beckerhoff weiter. Und Schulze ergänzt: „Es war eine tolle Zeit, 17 wunderbare Jahre. Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist.“ Es sei gut, mit Götz Bühler jemanden gefunden zu haben, „den wir alle drei aus dem Leitungsteam auch wirklich unangefochten willkommen heißen“, so Schulze weiter.

Der Geschäftsführer der M3B GmbH, Hans Peter Schneider, hat die jazzahead! gemeinsam mit den Künstlerischen Leitern im Jahre 2006 ins Leben gerufen. „Ich danke beiden ganz außerordentlich. Wir haben mit der jazzahead! etwas weltweit Einzigartiges und Erfolgreiches geschaffen, das aus der Jazzwelt nicht mehr wegzudenken ist“, sagt Schneider und fügt hinzu: „Mit Götz Bühler, der die jazzahead! seit vielen Jahren kennt, haben wir den richtigen Nachfolger gefunden. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.»

Es sei immer die große Kraft des Jazz gewesen, sich permanent zu verändern, sagt Beckerhoff: „Und das wird auch nicht aufhören, auch wenn unsere Generation daran nicht mehr so sehr beteiligt sein wird.“ Schulze fügt hinzu: „Wir sehen dem Wechsel sehr vertrauensvoll entgegen“.

Sowohl Beckerhoff als auch Schulze sind Jahrgang 1947, ihr Nachfolger Götz Bühler ist 21 Jahre jünger. Auch für ihn sind Messe und Festival der jazzahead! alles andere als Neuland. In den verschiedensten Funktionen war er von Anfang an dabei, etwa als Redakteur des Magazins Jazz thing, als Labelmanager für Künstler:innen wie Kellylee Evans oder Ed Motta oder als Moderator der digitalen jazzahead! 2021 und des Deutschen Jazzpreises im vergangenen Jahr. Seit 2020 ist er Head of Content für die App jazzed in Deutschland.

„Für mich ist das natürlich eine große Ehre“, sagt Bühler. In New York, wo er im Januar dieses Jahr gemeinsam mit Peter Schulze bereits für die jazzahead! war, habe er einmal mehr gespürt, wie sehr die jazzahead! wertgeschätzt werde: „Das zu erleben, wofür die jazzahead! auch international steht, war eine schöne Erfahrung. Das hat sich sehr gut angefühlt. Ich freue mich immens auf diese Aufgabe.“

Wohin geht die Reise künftig? Der Jazz öffne sich gegenwärtig ohnehin, so Bühler: „Wir sehen Einflüsse von der Neuen Musik über elektronische Popmusik oder Hip Hop und verschiedene Roots-Musiken bis hin zur Neo Klassik“ – und diese Bandbreite müsse die jazzahead! ebenfalls abbilden, was zum Teil schon geschieht. Beim Winter Jazzfest in New York habe er die ganze Bandbreite einmal mehr gespürt, so Bühler weiter: „Die Faszination dieser Musik endet nicht, im Gegenteil, sie wird immer größer.“ Es gehe jetzt auch darum, sich einem jüngeren Publikum zu öffnen, den Jüngeren klarzumachen, was für eine Chance die jazzahead! für sie bedeute – „und was für eine Tür in Richtung internationalem Jazzgeschehen die jazzahead! öffnet.“

Sowohl Ulrich Beckerhoff und Peter Schulze als auch Götz Bühler stehen für Nachfragen und Interviews zur Verfügung.

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Bildmaterial zum Download finden Sie unter folgendem Link:

Bild 1: © M3B GmbH/Götz Bühler: jazzahead-2023-Goetz-Buehler.jpg
BU: Rückt ins Leitungsteam nach: Götz Bühler. 

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45. RJR-Arbeitstagung in Gütersloh | 11. – 12. Mai 2023

Gütersloh, 11.- 12. Mai 2023

Ort: Gütersloh, Stadthalle und Hotel Flußbett

45. RADIO JAZZ RESEARCH-Tagung 

„Jazz und Kommunalpolitik“

In Zusammenarbeit mit der Stadt Gütersloh.

Liebe Mitglieder,

leider müssen wir den angekündigten Termin (1.-2. Juni 2023) verschieben.

Die Tagung zu „Jazz und Kommunalpolitik“ und die Mitgliederversammlung mit der Wahl

zum Vorstand und zum Beirat findet in Gütersloh am

11.- 12. Mai 2023

statt. Weitere Informationen und das Programm der Tagung folgen.

Lieber Gruß von

Lena, Maren, Bernd und Oliver

44. RJR Arbeitstagung in Münster | 05. – 06. Januar 2023: Wildcard

Themen von Radio Jazz Research-Mitgliedern 

Wildcard ist ein wiederkehrendes Tagungsformat, in dem der Arbeitskreis Radio Jazz Research, nicht wie im Regelfall ein leitendes Thema aus verschiedenen Perspektiven ausleuchtet, sondern in einem thematisch offenen Reigen von Vorträgen, Referaten, Podiumsgesprächen die breit gestreute Kompetenz der versammelten Jazzhistoriker, -forscher und -publizisten in den Fokus nimmt.

Obwohl die Freiheit der Referenten bei der Wahl ihrer Themen freie Hand haben, ergeben auch bei der 44. Arbeitstagung am 5./6. Januar 2023 in Münster thematische Schwerpunkte und Überlappungen. Während Michael Rüsenberg (Köln) in seiner Erörterung der Frage „Wem gehört der Jazz“, Bestrebungen innerhalb der deutschen Jazzszene aufgreift, Jazzhochschulen in «Black American Music Institutes» umzutaufen, nähert sich Gerhard Putschögl (Frankfurt/Main) in seinem Referat „Reinterpretation/Covering unter der Perspektive der ‚kulturellen Aneignung’“ ebenfalls Fragen von Identitäts- und Besitzverhältnissen im Bereich des Jazz.

Ein zweiter Themencluster thematisiert die Instrumentalisierung des Jazz im Kulturkampf der Systeme zur Zeit des Kalten Krieges. Konstantin Jahn (Dresden) verfolgt in „Henry Pleasants oder die Jazz-Hipster der CIA“ die Versuche des Leiters des CIA-Büros in Bonn, mittels des Freiheitsversprechens, das man dem Jazz (und auch der abstrakten Malerei) zuschrieb, kulturelle Geländegewinne gegenüber der zweifelhaften Attraktivität des sogenannten „realen Sozialismus“ zu erzielen. Unser Gast, Rüdiger Ritter (Bremerhaven), dagegen untersucht mit seinem Vortrag „Ein zweischneidiges Schwert“, wie West und Ost in der Blockkonfrontation, den Jazz als Propagandawaffe nutzten.

Relativ unverbunden sind schließlich die Referate von Michael Krzeminski (Bonn), der unter dem Titel „Innovation im Jazz“ musikalische Innovationsprozesse im Jazz aus kommunikationssoziologischer Perspektive untersucht und Iwan Wopereis’ (Rotterdam) Nachbericht über die Anwendung seiner empirischen Erhebung „Music experts› knowledge on improvisational expertise: The RJR case“ auf den Arbeitskreis Radio Jazz Research selbst. Einen weiteren selbstreflexiven Akzent bildet schließlich Christian Rentschs (Zürich) Überlegungen über „Die Misere der Jazzkritik“ als Schlusspunkt der Tagung.

Wir erweitern die Tagung durch eine Präsentation der Deutsche Jazzunion zur „Jazzstudie 2022“ und einem ersten Einblick in das Projekt „Jazzpilot*innen“.

5. Januar 2023  14.30
Begrüßung: Frauke Schnell, Kulturamt Stadt Münster, Dr. Bernd Hoffmann RJR

5. Januar 2023  15.00 Uhr
Michael Krzeminski:

Innovation im Jazz 

Der Beitrag technischer Innovationen zum gesellschaftlichen Wandel gilt – u.a. durch kommunikationssoziologische Untersuchungen – als verhältnismäßig gut ausgeleuchtet. Wie verhält es sich jedoch mit Innovationen im Jazz? Welchen Rang hat hier Neues im Verhältnis zum Traditionellen, ergeben sich markante Innovationspfade oder gar Innovationssprünge aufgrund der Wechselwirkung mit anderen Gesellschaftsbereichen und welche Rolle spielt der geniale Erfinder? Sind Entstehung und Entwicklung des Jazz womöglich insgesamt kultureller Ausdruck neuzeitlicher Fortschrittssehnsucht? Im Vortrag wird versucht, Erkenntnisse der allgemeinen Innovationsforschung möglichst anschlussfähig für eine jazzkundliche Debatte aufzubereiten.

5. Januar 2023  16.00 Uhr
Michael Rüsenberg:

Wem gehört der Jazz?

Oder, warum deutsche Jazzhochschulen nicht in «Black American Music Institutes» umgetauft werden sollten

5. Januar 2023  17.00 Uhr
Gerhard Putschögl:

Reinterpretation/Covering unter der Perspektive der „kulturellen Aneignung“

Erfolgreiche Kompositionen und markante Stilkomponenten boten in sämtlichen musikalischen Genres von jeher Anlaß zur Nachahmung, Verarbeitung und Umdeutung. Anhand ausgewählter Beispiele werden hier unterschiedliche Aspekte der Adaption, der Reinterpretation, des Coverns beleuchtet: neben der Betrachtung von Details der musikalischen Verarbeitung und den z.T. bemerkenswerten soziokulturellen Auswirkungen dieser Vorgänge gilt es auch den Blick auf den Aspekt „kulturelle Aneignung“ (Distelhorst 2021) zu werfen.

5. Januar 2023  18.00 Uhr
Außerordentliche Mitgliederversammlung

6. Januar 2023  9.30 Uhr
Konstantin Jahn:

Henry Pleasants oder die Jazz-Hipster der CIA 

Henry Pleasants (1910-2000), amerikanischer Musikwissenschaftler und Jazz-Aficcionado, leitete  zwischen 1956-1964 das CIA-Büro in Bonn. Er war maßgeblich an der Gründung des Bundesnachrichtendienstes beteiligt. Für Pleasants und andere Kader der CIA war Jazz ihre ›secret sonic weapon‹  im Kalten Krieg. Die Ivy League-Zöglinge der CIA  förderten weltweit – und speziell in der BRD – Jazz und abstrakten Expressionismus im antikommunistischen Kulturkampf. Nicht selten, verbarg sich hinter dem progressiven Kulturverständnis, reaktionäre Machtpolitik.

6. Januar 2023  10.30 Uhr
Rüdiger Ritter:

Ein zweischneidiges Schwert:

Wie West und Ost im Kalten Krieg den Jazz als Propagandawaffe nutzten

 Seit den Forschungen Penny van Eschens und anderen ist bekannt, dass Jazz  von der US-Administration gezielt als Mittel zur psychologischen Kriegsführung im Kalten Krieg eingesetzt wurde. Weit weniger bekannt ist, dass auch die Sowjetunion und die Ostblockstaaten das traten, und zwar mit erstaunlicher Kreativität. Dr. Rüdiger Ritter zeigt in seinem Vortrag, wie die Kulturpolitiker auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs ihr Gegenüber genau beobachteten und dann gezielt Einfluss auf den Jazz und das Jazzleben nahmen. Dabei verwendet er Archivmaterial aus amerikanischen, russischen, polnischen und deutschen Archiven.

6. Januar 2023  11.30 Uhr
Iwan Wopereis:

Music experts› knowledge on improvisational expertise: The RJR case

Improvisational expertise in jazz entails a dynamic mixture of musical knowledge, skills, and attitudes that is needed to improvise consistently and superiorly on a set of representative improvisational tasks. This study presents a group concept mapping (GCM) study that identifies critical constituents of improvisational expertise. Data collection in GCM consists of the generation, sorting, and rating of features. Data analysis includes multidimensional scaling (MDS), hierarchical cluster analysis (HCA), and semantic analyses. Musical experts (i.e., critics, musicians, researchers) of the German Radio Jazz Research (RJR) association took part in study. The participants generated 81 features of improvisational expertise. MDS, HCA and a semantic analysis resulted in a 7-cluster concept map. Skills, knowledge and attitudes related to individuality (uniqueness) were central to the map. The most highly valued (and teachable) features of expertise had to do with musical interaction (communication). The experts further acknowledged the value of musical exploration and (continuous) development of expertise. The map is a useful impetus for the (re)development of curricula in music education.

6. Januar 2023  12.30 Uhr
Christian Rentsch:

Die Misere der Jazzkritik

Einerseits soll der Beitrag zur kritischen Reflexion der eigenen Arbeit beitragen und  andererseits für Anregungen sorgen könnte, um die Bedeutung, die Relevanz und Aktualität der Fachpresse zu verbessern.

6. Januar 2023  14.30 Uhr
Jakob Fraisse/ Jan Monazahian:

Präsentation der Deutsche Jazzunion zur „Jazzstudie 2022“ und das Projekt „Jazzpilot*innen“.

Mit der „Jazzstudie 2022“ will die Deutsche Jazzunion einen Beitrag zu einem tieferen Verständnis für die Situation von Jazzmusikerinnen und Jazzmusikern in Deutschland leisten. Neben Veränderungen der sozioökonomischen Situation stehen in der „Jazzstudie 2022“ insbesondere die Auswirkungen der Coronapandemie auf die Berufspraxis und das persönliche Wohlbefinden im Fokus. Außerdem wird die Dokumentation des Kooperationsprojekts „Jazzpilot*innen“ der Deutschen Jazzunion und der Bundeszentrale für politische Bildung präsentiert.

ÄNDERUNGEN VORBEHALTEN

Vorschau auf die 44. RJR-Tagung in Münster, Januar 2023

Münster, 5. und 6. Januar 2023
Ort: 48161 Münster, Hotel wird noch bekannt gegeben

44. RADIO JAZZ RESEARCH-Tagung 
Programm: Bernd Hoffmann

„Wildcard“

Themen von Radio Jazz Research-Mitgliedern 

Michael Krzeminski:

Innovation im Jazz 
Der Beitrag technischer Innovationen zum gesellschaftlichen Wandel gilt – u.a. durch kommunikationssoziologische Untersuchungen – als verhältnismäßig gut ausgeleuchtet. Wie verhält es sich jedoch mit Innovationen im Jazz? Welchen Rang hat hier Neues im Verhältnis zum Traditionellen, ergeben sich markante Innovationspfade oder gar Innovationssprünge aufgrund der Wechselwirkung mit anderen Gesellschaftsbereichen und welche Rolle spielt der geniale Erfinder? Sind Entstehung und Entwicklung des Jazz womöglich insgesamt kultureller Ausdruck neuzeitlicher Fortschrittssehnsucht? Im Vortrag wird versucht, Erkenntnisse der allgemeinen Innovationsforschung möglichst anschlussfähig für eine jazzkundliche Debatte aufzubereiten.

Michael Rüsenberg:

Wem gehört der Jazz?
Oder, warum deutsche Jazzhochschulen nicht in «Black American Music Institutes» umgetauft werden sollten

Gerhard Putschögl:

Reinterpretation/Covering unter der Perspektive der „kulturellen Aneignung“
Erfolgreiche Kompositionen und markante Stilkomponenten boten in sämtlichen musikalischen Genres von jeher Anlaß zur Nachahmung, Verarbeitung und Umdeutung. Anhand ausgewählter Beispiele werden hier unterschiedliche Aspekte der Adaption, der Reinterpretation, des Coverns beleuchtet: neben der Betrachtung von Details der musikalischen Verarbeitung und den z.T. bemerkenswerten soziokulturellen Auswirkungen dieser Vorgänge gilt es auch den Blick auf den Aspekt „kulturelle Aneignung“ (Distelhorst 2021) zu werfen.

Konstantin Jahn:

Henry Pleasants oder die Jazz-Hipster der CIA 
Henry Pleasants (1910-2000), amerikanischer Musikwissenschaftler und Jazz-Aficcionado, leitete  zwischen 1956-1964 das CIA-Büro in Bonn. Er war maßgeblich an der Gründung des Bundesnachrichtendienstes beteiligt. Für Pleasants und andere Kader der CIA war Jazz ihre ›secret sonic weapon‹  im Kalten Krieg. Die Ivy League-Zöglinge der CIA  förderten weltweit – und speziell in der BRD – Jazz und abstrakten Expressionismus im antikommunistischen Kulturkampf. Nicht selten, verbarg sich hinter dem progressiven Kulturverständnis, reaktionäre Machtpolitik.

Rüdiger Ritter:

Ein zweischneidiges Schwert:
Wie West und Ost im Kalten Krieg den Jazz als Propagandawaffe nutzten

Seit den Forschungen Penny van Eschens und anderen ist bekannt, dass Jazz  von der US-Administration gezielt als Mittel zur psychologischen Kriegsführung im Kalten Krieg eingesetzt wurde. Weit weniger bekannt ist, dass auch die Sowjetunion und die Ostblockstaaten das traten, und zwar mit erstaunlicher Kreativität. Dr. Rüdiger Ritter zeigt in seinem Vortrag, wie die Kulturpolitiker auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs ihr Gegenüber genau beobachteten und dann gezielt Einfluss auf den Jazz und das Jazzleben nahmen. Dabei verwendet er Archivmaterial aus amerikanischen, russischen, polnischen und deutschen Archiven.

Iwan Wopereis:

Music experts› knowledge on improvisational expertise: The RJR case
Improvisational expertise in jazz entails a dynamic mixture of musical knowledge, skills, and attitudes that is needed to improvise consistently and superiorly on a set of representative improvisational tasks. This study presents a group concept mapping (GCM) study that identifies critical constituents of improvisational expertise. Data collection in GCM consists of the generation, sorting, and rating of features. Data analysis includes multidimensional scaling (MDS), hierarchical cluster analysis (HCA), and semantic analyses. Musical experts (i.e., critics, musicians, researchers) of the German Radio Jazz Research (RJR) association took part in study. The participants generated 81 features of improvisational expertise. MDS, HCA and a semantic analysis resulted in a 7-cluster concept map. Skills, knowledge and attitudes related to individuality (uniqueness) were central to the map. The most highly valued (and teachable) features of expertise had to do with musical interaction (communication). The experts further acknowledged the value of musical exploration and (continuous) development of expertise. The map is a useful impetus for the (re)development of curricula in music education.

Christian Rentsch:

Die Misere der Jazzkritik
Der Vortrag soll einerseits zur kritischen Reflexion der eigenen Arbeit beitragen und  andererseits für Anregungen sorgen könnte, um die Bedeutung, die Relevanz und Aktualität der Fachpresse zu verbessern.

Änderungen vorbehalten

Website: www.jazzfestival-muenster.de

Programm: https://jazzfestival.multimediadesign.net/programm/index.php

43. RJR-Tagung in Lübeck – Ein Resümee von Stefan Hentz

43. RJR-Tagung: Identitäten im Jazz

In Zusammenarbeit mit dem „Jazzpool Lübeck e.V.“ im Rahmen des Travejazz-Festivals.

Ein Resümee von Stefan Hentz

Nach „Identitäten“, Plural, fragte die 43. Arbeitstagung von Radio Jazz Research am 9. und 10. September in Lübeck, und schon in der Pluralbildung bildete sich die Fragilität statischer Konzepte von Identität ab. Wer auf den Begriff Identität zurückgreifen will, so scheint es, sollte eine Vielfalt von Identitäten oder Zuschreibungen voraussetzen, deren Nebeneinander erst die eine, von allen anderen unterscheidbare Identität eines Individuums beschreibt.

Mit seinen Überlegungen über Identitäten im Jazz, legte Michael Rüsenberg zur Einführung in die Tagung schon einmal eine funkensprühende Lunte an Konzepte, die mit dem Begriff der Identität versuchen, ästhetische Praktiken und Strategien im Jazz zu begründen. Im Anschluss an den Philosophen Wolfgang Welsch, der Identität trocken als die „singuläre Beziehung eines Gegenstandes zu sich selbst“ beschreibt, als ein „Amalgam aus Wahrheit und Dichtung, aus Realität und Wünschen“ und damit als eine „von Grund auf soziale Angelegenheit“, die man nicht aus sich selbst heraus entwickeln kann. „Wo immer man genauer nachforscht“, zeigt sich nach Welsch, „dass das, was angeblich rein national ist, in Wahrheit auf einem Mix internationaler und transnationaler Komponenten beruht“. Transkulturalität ist demnach „die Regel und die Realität“.

Dennoch, so zeigte sich im weiteren Verlauf der RJR-Tagung, lassen sich Aspekte der Beschreibung von Identität, lassen sich Gender, Ethnizität, Bildung, sozialer Status, und viele weitere, für die Beschreibung von realen Verhältnissen in dem sozialen Feld des Jazz mit Recht verwenden. Aus der Sicht eines Lehrenden, zu dessen Ethos es gehört, zu versuchen, allen seinen Studierenden gerecht zu werden, zäumte Andre Doehring, Leiter des Instituts für Jazzforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz seinen Vortrag „’They say I’m different’: Identitäten im und für den Jazz erkennen, verstehen und fördern“, am Beispiel einer Studentin auf, die zwar eine sehr talentierte, ausdrucksstarke und ideenreiche Sängerin sei, aber von den verschiedenen Regelsystemen, die die Akzeptanz vor allem im Bereich Jazz regeln, von entsprechenden stilistischen Vorschriften und Verhaltenscodes immer wieder abgeschreckt wurde und sich stilistisch mittlerweile auf ihren Ausgangspunkt zurückbesonnen hat: auf den scheinbar so machohaften Hardrock. Das didaktische Ideal der Horizonterweiterung konnte so offenbar nicht realisiert werden.

In eine ähnliche Kerbe schlug auch die Ethnomusikologin und Musikwissenschaftlerin Christiane Gerischer, die bis vor kurzem in Potsdam als Präsidentin die Fachhochschule Clara Hoffbauer leitete, die in ihren Ausführungen über weibliche Drummer im Jazz, mit der verbreiteten Wahrnehmung aufräumte, dass sich deren Lage schon wesentlich verbessert habe. Im Gegenteil: rein zahlenmäßig waren Frauen in den 1940er-Jahren, als viele der männlichen Kollegen in den Kriegsdienst eingezogen waren, besser vertreten als heute. Doch noch heute werden Schlagzeugerinnen (und für andere Instrumentalistinnen gilt dies analog) häufig so inszeniert, dass sie primär als Frau, Blickfang und Sexualobjekt und erst in zweiter Linie als die kompetenten Musikerinnen wahrgenommen werden, die sie sind. Konkret belegte Gerischer mit Ausschnitten aus Interviews mit Schlagzeugerinnen und Perkussionistinnen der aktuellen Szene (Mareike Wiening, Sasha Berliner, Kalia Vandever), dass weder die Zeiten der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vergangen sind, noch jene des plumpen Anbaggerns. Und dass Frauen, um für das was sie tun, anerkannt zu werden, darin noch immer wesentlich besser sein müssen als ihre männlichen Kollegen, Mitbewerber, Konkurrenten. Wovon die interviewten jungen Schlagzeugerinnen aber auch berichten, das sind Agenten der Selbstheilung in der Szene, bereits etablierte Musiker und Musikerinnen mit fest geknüpften Netzwerken, die jüngeren Kolleginnen, von deren musikalischer Qualität sie überzeugt sind, als Mentoren mit Rat und Tat (und Weiterempfehlungen) unterstützend zur Seite stehen.

Mit sehr persönlich angelegten Beiträgen verschoben zwei aktive Musiker den Fokus der Tagung ein großes Stück weiter in Richtung Konkretion. Im Gespräch mit Arne Schumacher berichtete die Saxofonistin Holly Schlott, die man bis 2018 als Volker Schlott beispielsweise aus dem Saxofonquartett Fun Horns kannte, von der Prozesshaftigkeit ihrer Geschlechtsangleichung, die sie nicht als einen Sprung zwischen zwei binären Zuständen, männlich/weiblich, versteht, sondern als eine Ausweitung ihres Rollenrepertoires, die sie heute mit großer Emphase als durchaus lustvoll und bereichernd beschreibt. Obwohl die Geschlechtsangleichung ohne Zweifel eine starke Veränderung der empfundenen Identität bewirkt, ist sie für Schlott nicht mit einer Abspaltung ihrer vorherigen Lebensgeschichte als Mann verbunden, entsprechend gelassen reagiert sie, wenn sie als „Volker“ angesprochen wird oder verwendet auf aktuellen CD-Veröffentlichungen beide Vornamen. Allerdings verschweigt die Saxofonistin keineswegs, dass sie sehr lange gezögert habe, bis sie erst an der Schwelle zur Beendigung ihres sechsten Lebensjahrzehnts ihr öffentliches Geschlecht an das schon sehr lange empfundene angeglichen habe. Und dass sie sich sehr gewundert habe, dass es in der Jazzszene, sehr wenig Reaktionen auf ihre Geschlechtsangleichung gegeben habe, weder negative noch positive, was sie selbst mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen habe. 

Fernab von den binären Schattenspielen um gender, race, class, etc, die so häufig die Debatten um Identitäten prägen, demonstrierte der Pianist Sebastian Sternal auf der instrumentaltechnischen Mikroebene, wie man als Musiker aus dem Studium seiner Vorbilder ein Vokabular von melodisch, harmonisch, rhythmischen Kurzformeln für den Zweck der Improvisation entwickeln kann, das sich einerseits direkt aus dem Strom der Jazztradition (oder potentiell auch jeder beliebigen anderen Tradition) speist, und andererseits durch die persönlichen Vorlieben gefiltert und damit höchst individuell ist. Den grundlegenden Stimmerwerb im Sinne des Erwerbs einer eigenen, unverwechselbaren (Instrumental-)Stimme als Musiker verlegt er damit in den Bereich einer sozusagen bewusst gesteuerten Entwicklung von kleinen und kleinsten musikalischen Sinnpartikeln, die man eher als Silben oder Phoneme verstehen könnte, denn als Worte, Sätze, Absätze.

So sehr im Verlauf der 43. RJR-Tagung deutlich wurde, dass vor allem das Identitätsmerkmal Gender im deutschen Jazz des Jahres 2022 noch immer von großer Bedeutung für die Zugangsregelungen ist, (andere Identitätsmerkmale wie Hautfarbe, Religion, Bildungsgrad, soziale Herkunft, etc. wurden – wenn überhaupt – nur en passant thematisiert), so deutlich wurde auch, dass mit der Thematisierung von identitätsbezogenen Diskriminierungen allein, kaum wesentliche Fortschritte in Sachen Chancengerechtigkeit und Niedrigschwelligkeit zu erzielen sind. Zwar könnten Quotenlösungen möglicherweise ein anderes, diverseres und damit auch inklusiveres Binnenklima in der Jazzszene befördern, doch um wirklich näher an den Idealzustand einer Farbenblindheit in Sachen Identitätsmerkmalen heranzurücken, wäre es notwendig, auf der Ebene des konkreten Handelns Vorgehensweisen wie beispielsweise Blind Auditions bei Besetzungsfragen zu entwickeln, die Vorurteile weitgehend ausschließen. Mit der enormen Spannung zwischen der philosophischen Ebene der Begriffsklärung, in der die Sinnhaftigkeit der Auseinandersetzung über Fragen der Identitäten selbst bisweilen ins Schwimmen geraten kann und der von Sternal vorgestellten praktischen Ebene, auf der die Selbstkonstruktion von Identitäten jede Transzendenz abstreift und sich als eine sehr kleinteilige Arbeit an den Details des eigenen musikalischen Vokabulars erweist.

Rezension von Schmidt-Joos «Jazz Echos aus den Sixties»

Mit freundlicher Genehmigung von jazzcity.de

Siegfried Schmidt-Joos (Hg)
Jazz-Echos aus den Sixties
Kritische Skizzen aus einem hoffnungsvollen Jahrzehnt
Kamprad Verlag, 2022
228 S., 19.60 €

Am 22. Mai 1959 spielt der Saxophonist Ornette Coleman sein Album „The Shape of Jazz to come“ ein, darunter das Stück „Congeniality“; in seinem berühmten Quartett befindet sich u.a. der Trompeter Don Cherry.
Sechs Jahre später beurteilt der Jazzkritiker Werner Burkhardt (1928-2008) in einem Porträt über Don Cherry dessen Performance in diesem Stück so:
„Was jedoch gewinnt Don Cherry, wenn er darauf verzichtet, ordentlich Trompete zu spielen? Bei den ersten Aufnahmen, die er mit Ornette Coleman eingespielt hat, gewinnt er nichts. Da wohnen wir öffentlichem Üben bei, hören unsaubere Etüden, die ins Kämmerlein, aber nicht auf die Schallplatte gehören, und müssen unbewältigte Einflüsse konstatieren. In ´Congeniality´ auf der Atlantic-LP ´The Shape of Jazz To Come´ werden wir an Dizzy Gillespie erinnert, und das ist bei einem so ungelenkigen Trompeter wie Don Cherry ja ein peinlicher Griff nach den Sternen“.
Ein solcher Ton muss Nachgeborene und und auch Zeitgenossen heute überraschen, Ikonen wie Don Cherry werden heute durchweg pfleglicher und nachsichtiger behandelt.
Trotz dieser scharfen Kritik tritt Burkhardt Don Cherry aber nicht – wie man heute sagt – „in die Tonne“; er ringt mit seinem Urteil, er entdeckt durchaus Momente, wo der Trompeter zu sich selbst findet, zum Beispiel auf Sonny Rollins´ „Our Man in Jazz“, 1963 („Hier steht Don Cherry seinen Mann.“)
Wiederum Jahre später, bei einer Jam Session in Schwabing, („ich saß an meinem Tisch und versuchte gerecht zu sein“), trat Cherry an diesen heran und sagte: ´In fünfzig Jahren gehört das, was ich jetzt spiele, zur Tradition´. Also sprach Don Cherry, und auf diesen Ausspruch haben meine Freunde in Hamburg sehr trocken reagiert. Sie meinten: ´Na, der soll sich freuen, wenn in fünfzig Jahren überhaupt noch jemand seinen Namen kennt´.
Heute wissen wir: Don Cherry hat seine Münchner Prophezeiung so halbwegs überlebt, die anonymen Hamburger Freunde Burkhardts die ihre nicht.
Weitaus mehr als die Schärfe des Urteils und, ja auch, die Eleganz der Sprache, in der sie hervortritt, überrascht, nein verblüfft ihr Ort.
Werner Burkhardt äußert sich im Januar 1965 nicht dort, wo man ihn vermutet hätte: im Feuilleton oder im Radio – er äußert sich im „Jazz Echo“. Und das lag damals gar nicht offen zu Tage. Das musste man erst mal finden.
Das „Jazz Echo“ war quasi versteckt als 8-seitiger, monatlicher Einhefter im Magazin „Gondel“.
Das kannten wir Jugendliche selbstverständlich, von verschämten Blicken am Bahnhofskiosk. Man hätte es uns gar nicht verkauft, weil es schon mit dem Titelbild an uns Minderjährigen vorbei adressiert war: junge Frauen in Pose, im Badeanzug, später im Bikini.
Seit 1948 schaukelte das „Jazz Echo“ versteckt in der „Gondel“.
(Ein analoger Fall waren Ende der 60er die „Sankt Pauli Nachrichten“; erotisch zwar weitaus dreister. Aber – zuverlässig in der Information über alles, was damals über John Mayall, Peter Green oder Alexis Korner zu berichten war.)
Erster „Jazz Echo“-Redakteur war ein gewisser Joe Brown, das kaum verhüllte Pseudonym des ersten Radio-Jazzredakteurs in Deutschland: Joachim Ernst Berendt!
(Kleine Utopie am Rande: wäre heute ein ARD-JazzredakteurIn in seinem Job überlebensfähig, der auch nur ein kleine Jazz-Kolumne sagen wir im „Playboy“ betriebe?)
1959 übergibt Berendt alias Brown die Verantwortung an Siegfried Schmidt-Joos, sehr viel später einer seiner zahlreichen Gegner.
Schmidt-Joos, 86, war damals Jazzredakteur bei Radio Bremen, später (nicht nur für Jazz) beim Spiegel, beim RIAS und beim Sender Freies Berlin.
Gegenwärtig beschäftigt sich der „elder statesman der deutschen Jazzpublizistik“ (was, entgegen seiner Annahme, keinerlei ironischen Unterton besitzt) mit der Evaluierung seines umfangreichen Archivs.
Gegenüber „Es muss nicht immer FreeJazz sein“ (2021)
https://www.jazzcity.de/index.php/buecher/2552-siegfried-schmidt-joos-es-muss-nicht-immer-free-jazz-sein
bringt er mit seinem neuen Archivgang die, alles in allem, sicher gewichtigeren Funde ans Licht.
Dabei hält er sich nicht weiter auf mit der Komik, vielleicht auch Tragik des Publikationsortes, ein Jazzmagazin eingeschlagen in eine, nun ja, Sex-Postille (hier hätte er in einem luftigen Feuilleton bis an die Bordellnähe des frühen Jazz zurückschreiten können). Er hat eine Botschaft, es geht ihm darum, „sich an Auseinandersetzungen, wie wir sie damals führten, in einer Zeit noch einmal zu erinnern, die bezüglich des Jazz um sehr viel spannungsärmer und einschläfernder geworden ist. Ich gestehe mir übrigens zu, die Sixties nächst den Forties für das spannendste Jahrzehnt der Jazzgeschichte zu halten“.
Ob man dieser Perspektive nun zustimmt oder nicht, Schmidt-Joos´ Selektion reicht allemal für einige staunenswerte Beiträge, vermutlich ein „Best of Jazz Echo“ aus den sechzigern.
Bis auf den Herausgeber sind alle Autoren verstorben: Joachim Ernst Berendt (1922-2000), Ingolf Wachler (1911-1988), Werner Burkhardt, Manfred Miller (1943-2021), sowie die beiden Amerikaner Nat Hentoff (1925-2017) und Mike Zwerin (1925-2015).
Unabhängig davon, ob sie mit ihren Urteilen „richtig“ lagen, waren bzw. sind sie mehr oder weniger Stilisten. Ja, ihre Sprache ist zeittypisch: die Leser werden gesiezt, die Autoren schreiben auch über Frauen, vulgo: Sängerinnen; die Vorstellung, sich etwas anderem als des generischen Maskulinum zu bedienen, hätten sie mit der Formvollendetheit abgewiesen, in der sie Damen in den Mantel halfen.
Ja, sie schrieben eleganter, höflicher – und kritischer. Und eben das mag Zeigenossen wie Nachgeborene vielleicht doch am meisten überraschen. Zum Beispiel der sanfte Werner Burkhardt, dass er so mit Don Cherry umspringt. Oder Mike Zwerin, der ohne großes Aufhebens einen zentralen Glaubenssatz des Jazz („Wer derart zauberhafte Musik spielt, muss auch als Mensch so sein – davon bin ich überzeugt“) anhand von Miles Davis´ „Bissigkeit“ widerlegt.
Oder Manfred Miller, um des Urteils Schärfe selten verlegen. Im Jazz-Echo 8/1966 macht er den jungen Wolfgang Dauner einen Kopf kürzer („In diesem Sinne ist – gestatten Sie die soziologische Terminologie – der Jazz des Wolfgang-Dauner-Trios Ideologie, falsches Bewusstsein von der Wirklichkeit, das deren mögliche Veränderung gerade verhindert“.)
Yes, Folks, those were the days. Das ist nun wirklich ein Sound der Sixties; in bestimmten Kreisen hielt man ihn für soziologisch, obwohl er doch nur vulgär-marxistisch war.
Dass Miller derart mit Dauner umspringt (insbesondere dessen Album „Dream Talk/Trio 64“) muss im hier präsentierten Panorama des „Jazz Echo“ überraschen (es reicht von John Lee Hooker und Frank Sinatra bis Bill Evans und Eric Dolphy).
In Heft 9/1966 betätigt er sich nämlich (ähnlich wie in der legendären ARD-Sendung im Mai 1967) als eloquenter Advokat des im Kontext der Hefte ja stilistisch nicht so weit entfernten Peter Brötzmann.
Dass Miller vergisst zu erwähnen, im Juni 1967 an der Produktion von Brötzmanns „For Adolphe Sax“ beteiligt gewesen zu sein (und sie in Berendt´scher Manier im „Jazz Echo“ 10/1967 bespricht), mag als lässliche Sünde erscheinen gegenüber dem Lesevergnügen, das sich auch heute noch einstellt.
Wenn er en detail die Ablösung von überkommenen Strukturen beschreibt und seinem Motto folgt: „das einzig mögliche Kriterium zur Beurteilung einer neuen Musik (ist) ihre innere Stimmigkeit“.
Die sieht er bei Brötzmann als gegeben. Und man muss höllisch aufpassen, nicht auch die problematischen Annahmen mitzuverdauen, die sich darin verstecken. Sie zeigen sich in Sätzen wie diesem:
„Erst wenn der persönliche Ausdruck Form gewinnt, Objektivität also und Verständlichkeit, ist die Musik über den bloßen gutgemeinten, aber misslungenen Versuch hinaus“.
Objektivität und Verständlichkeit mit der Form der Musik gleichzusetzen – heikel.
Oder dieser hier, bis heute einer der zentralen Glaubenssätze des Jazz:
„Die Musiker sind identisch mit dem, was sie spielen. In einer musikalisch
hochdifferenzierten Sprache teilt sich Persönliches mit“.
Was erfahre ich „Persönliches“ über den Menschen Brötzmann in seiner Musik?
Sind John Lee Hooker oder Charlie Parker weniger identisch mit dem, was sie jeweils spielen?
Dieser Satz hingegen erweist sich 56 Jahre später eindeutig als falsch. Er bringt den Untertitel des Bandes („Kritische Skizzen aus einem hoffnungs-vollen Jahrzehnt“) in idealtypischer Weise zum Klingen:
„Die Avantgardisten des Peter Brötzmann Trios spielen heute, was für viele erst morgen schön sein wird“.
Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Man wird zudem gute Gründe finden für die Annahme, dass sie sich nie erfüllen wird – zumal sie die Frage miteinschließt, ob denn „gute“ Musik“ auch „schön“ sein müsse.
(Eine Überlegung, der Karl Rosenkranz schon 1853 seine „Ästhetik des Hässlichen“ entgegenstellte).
Es macht Spaß, ja es ist intellektuell ertragreich, in das Schreiben über Jazz vor 60 Jahren einzutauchen. Um den Jazz von damals – und auch den von heute – besser zu verstehen.

PS: Auf Seite 90 hat Schmidt-Joos oder sein Verleger ein- nein kein deep fake, sondern ein shallow fake hingemogelt: das vorgebliche Titelbild von Jazz-Echo 8/1966 kann unmöglich authentisch sein. Es zeigt einen schon recht fülligen Wolfgang Dauner sowie im Hintergrund Volker Kriegel. Beide mithin zu einem Zeitpunkt, da das Jazz-Echo schon etliche Jahre verklungen war.

Jazzpool Lübeck e.V.
Presseinformation


Jazz steht für Vielfalt und Akzeptanz
Erfolgreiche Tagung zusammen mit dem Radio Jazz Research e.V.

© Maximilian Busch


Die 43. Tagung des Radio Jazz Research ist zu Ende. Auf Einladung des Jazzpool Lübeck e.V. kamen
am vergangenen Wochenende vom 8. bis 10. September 30 Fachleute des Jazz in Lübeck zusammen, referierten und diskutierten umfassend zum Thema „Identitäten im Jazz“.

Die Teilnehmenden aus Musikwissenschaft, Journalismus, Musikliteratur, Medienredaktionen,
Spielstäten, von Festivals und ebenso Musikerinnen und Musiker erörterten im „Beichthaus“ des Europäischen Hansemuseums Fragestellungen zur Transkulturalität, zum Selbstverständnis von
Musikschaffenden im Jazz, zu spezifischen Gender-Aspekten, zur förderpolitischen Anerkennung des Jazz und natürlich zum Frauenanteil im Jazz und in der improvisierenden Musik.


In allen Beiträgen kam zum Ausdruck, dass Jazz und improvisierte Musik immer schon und weiterhin musikalische und ebenso außermusikalische Inspirationen von innen wie von außen geradezu benötigen, um sich, ganz im Sinne dieser Musik, stets weiterentwickeln zu können und damit für Musikschaffende wie auch für das Publikum spannend und interessant, aber auch überraschend zu bleiben. Jazz ist in seinem Ursprung eine global-offene Musik – und wird es aufgrund seiner Vielfalt und Akzeptanz auch bleiben.


Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus insgesamt fünf Ländern hatten abseits des Tagungsprogramms Gelegenheit zum Besuch des Europäische Hanse Museums und des Travejazz Festivals. Auch die Lübecker Musikschule stand für einen musikalischen Vortrag zur Verfügung.


Bernd Hoffmann, Vorsitzender des Radio Jazz Research, und Peter Ortmann vom Jazzpool Lübeck zogen eine positive Bilanz der Gespräche: „Nach Meinung unserer Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer war diese Tagung von einem hohen Niveau der Vorträge und anschließenden Aussprachen angesichts eines zeitaktuellen wie auch komplexen Themas geprägt. Dazu trug nicht zuletzt die inspirierende Umgebung der alten Hansestadt Lübeck bei.“


Unterstützung fand die Tagung beim Kulturbüro der Hansestadt. Die stellvertretende Stadtpräsidentin Silke Mählenhoff hatte die Tagungsgesellschaft zu Beginn der Tagung in der Hansestadt begrüßt.


Für weitere Informationen und Impressum:
Jazzpool Lübeck e.V., c/o Dr. Peter Ortmann, Hüxtertorallee 45, 23564 Lübeck, Tel. 0151 61 223 660, E-Mail ortmann@jazzpool-luebeck.de, www.jazzpool-luebeck.de