9. Arbeitstagung in Münster | 8. bis 9. Januar 2009

Kunstfertigkeit im Moment des Entstehens: Improvisation

Vielfältig sind die musikalischen Konzepte im Jazz: die Annäherungen an eine Komposition, die motivischen Wechsel und Klangfarben, das stete Wiederholen von Formen und rhythmischen Strukturen. Der zentrale Gedanke des Jazz führt aber unweigerlich zur Frage: Was ist Improvisation?

Das Tagungsprogramm

  • Stefan Hentz Improvisation – Hinführung zu einem schwierigen Thema
  • Ekkehard Jost Anmerkungen zur Improvisation
  • Franz Krieger Verborgene Vielfalt? Jazzgesang und sein irisierendes Verhältnis zur Improvisation
  • Günther Huesmann Metrische Improvisationen bei Wynton Marsalis
  • Andreas Eichhorn „Improvisation“ im Kontext der Inspirationsmythen des 19. Jahrhunderts
  • Odilo Clausnitzer Jazz ohne Improvisation?

Improvisation ist Variation in den älteren Spielmodellen des New Orleans- und Chicago-Jazz, Transformation im Swing. Sie verändert Melodien oder harmonische Abläufe – bis hin zur völligen Demontage von Formen und gruppendynamischen Strukturen im Free Jazz. Das Improvisieren gibt konkrete Auskünfte über stilistische Entwicklungen oder Brüche: Sie ist Kunstfertigkeit und Künstlertum im Moment des Entstehens, verlässlich abrufbar als zuvor geprobtes Muster im Prozess der Kreativität.

Die Analyse dieses schillernden Begriffs lässt das „Grundsätzliche“ im Jazz sicht- und hörbar werden. Die verschiedenen Improvisationsmodelle verraten die Herangehensweise von Improvisatoren und spiegeln sich in Bandkonzepten, die verschiedene kreative Impulse zu einer neuen Idee bündeln. Die Unverwechselbarkeit der amerikanischen und der europäischen Improvisationsmusik entsteht aus der schöpferischen Verwendung dieser verschiedenen Spielmodelle. Die Improvisation aber bestimmt den eigentlichen prozessualen Verlauf des Klangmaterials – und damit des Jazz.

Diesem für den Jazz zentralen Problembündel widmete sich die 9. Arbeitstagung von „Radio Jazz Research“, die im Vorfeld des 22. Internationalen Jazzfestivals in Münster stattfand. Thematisiert wurde u.a. die von Peter Niklas Wilson aufgestellte These von Jazz als Lebenshaltung („Hear and Now“). Gegenstand der Analyse war das improvisatorische Schaffen amerikanischer und europäischer Jazzmusiker, wobei die verschiedenen Aspekte des Begriffs „Improvisation“ beleuchtet wurden.

Ekkehard Jost widmete sich mit seinen „Anmerkungen zur Improvisation“ der Fragenach den Qualitätskriterien von Improvisation. Günther Huesmann analysierte die formbildende Funktion der metrischen Improvisationen bei Wynton Marsalis, während Franz Krieger in seinem Beitrag „Verborgene Vielfalt? Jazzgesang und sein irisierendes Verhältnis zum Jazz“ anhand verschiedener Aufnahmen von „All The Things You Are“ die stilistischen Merkmale einer jazzspezifischen Gesangsästhetik herausarbeitete.

Andreas Eichhorn widmete sich in einer historischen Betrachtung der überragenden Bedeutung, die die Improvisation im 19. Jahrhundert für Komponisten, Interpreten und Zuhörer hatte.