48. RJR-Tagung: Radio Jazz – Gegenwart und Zukunft

12.-14. September 2024
Siegburg,  Abtei Michaelsberg, Bergstr. 26

Programm – Ablauf:

Do. 12. September
19.30 Meeting: Abendessen Restaurant Milanobar

Fr. 13. September:

Tagungsbeginn: 9.15 Uhr

Begrüßung: Dr. Bernd Hoffmann und Arne Schumacher (Moderation)

9.30 Uhr

Das Jazz-Radio der Zukunft:

Thomas Mau (Moderation)

Tamara Bendig

Hans Jürgen Linke

Arne Schumacher

10.30 Uhr

Jazz und seine mediale Vergänglichkeit:

Arne Schumacher (Moderation)

Oliver Weindling

Stefan Hentz

Dr. Andreas Felber 

Dr. Andreas Kisters

11.30 Uhr

Die aktuelle Situation im Jazz Radio der ARD

Bernd Hoffmann(Moderation)

Ulf Drechsel im Gespräch mit Stefan Hentz

14.30 Uhr

Das RJR-Porträt01.

Thomas Mau (Moderation)

Die Klarinettistin und Festivalmacherin Annette Maye

15.30 Uhr

Die Festivals und ihre medialen Präsentationen

Ulf Drechsel (Moderation)

Urs Röllin (Schaffhauser Festival) / Paul Zauner (InnTöne)

16.30 Uhr

In a sentimental mood – zur Stimmungslage der ARD Klangkörper

Arne Schumacher (Moderation)

Jörg Heyd (freier Journalist)

17.30 Uhr

Bernd Hoffmann

Radio Jazz Research: Mitglieder-Informationen

14. September:

9.00 Uhr

Das Jazzradio: Information, Inspiration, Interaktion

Ulf Drechsel (Moderation)

Annette Maye (Klarinette, Bandleaderin) / Marcus Bartelt (Saxophon, Bandleader)  

10.00 Uhr

Das RJR-Porträt02

Bernd Hoffmann (Moderation)

Die Flötistin und Bandleaderin Stephanie Wagner

11.00Uhr

Podiumsdiskussion: War es das?

Bernd Hoffmann (Moderation)

Ulf Drechsel (RJR), Camille Buscot (DJU), Arne Schumacher (RJR), Stephanie Wagner (Musikerin), Oliver Weindling (RJR)

Tagungsende 13.00 Uhr

48. RJR-Tagung: Radio Jazz – Gegenwart und Zukunft

Neue Perspektiven bringen neue Präsentationsweisen hervor, und so wird es auch bei der 48. Tagung der Arbeitsgruppe Radio Jazz Research (RJR) sein. War im April 2024 die mediale Repräsentanz des Jazz vorrangig aus der Perspektive seiner historischen Entwicklung aufbereitet worden, so wählt Radio Jazz Research für die kommende 48. Tagung für das Verhältnisses von Jazz und Rundfunk eine eher ungewohnte Perspektive: Es ist der Versuch, aus einer Sichtung der Gegenwart einen Blick in die Zukunft zu werfen. Wo bei der letzten 47. Ausgabe in Bad Goisern Einzelvorträge den Diskurs anstießen und lenkten, steht bei der RJR-Tagung in Siegburg der Versuch, verschiedener Sichtweisen des Mediums Rundfunk in Form von Paneldiskussionen zu umreißen.
Neu sind auch die kurzen Einzelportraits von zwei Musikerinnen, die RJR-Portraits, bei denen neben biographischer Information und ästhetischer Analyse auch die Sinnlichkeit von deren eigentlicher, musikalischer Arbeit zur Geltung kommen wird, sind die zweite – und unbedingt auch auf zukünftige Tagungen zu übertragende – Besonderheit dieser Tagung. In Siegburg wird Ulf Drechsel, ehemaliger Jazzredakteur des rbb), die Kölner Klarinettistin Annette Maye präsentieren, und Bernd Hoffmann öffnet ein Fenster zu der Flötistin Stephanie Wagner und ihrer Musik.
In Anbetracht der sich rasant fortentwickelnden, aktuellen Diskussionen um Reformen des Gefüges des öffentlichen Rundfunks, ist es kaum zu vermeiden, den aktuellen Stand der Bestrebungen zur „Reform“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in Deutschland zu einem Punkt des Tagungsprogramms zu machen. Zum erklärten Programm der Leitungsetagen der in der ARD zusammengeschlossenen Anstalten gehört es, in möglichst vielen Themenbereichen, die Zahl parallel arbeitenden Fachredaktionen drastisch zu reduzieren. Der Jazz ist in dieser Hinsicht nur eines von vielen Themen, allerdings eines, für dessen Lebensfähigkeit die Kooperation mit den Jazzredaktionen für RJR von besonderer Bedeutung ist: Weniger Programmstunden zum Thema Jazz bedeutet weniger eigene Musikproduktionen, weniger eigene Klangkörper, weniger Förderung für regionale Musiker. Weniger ästhetische Bandbreite und Tiefgang. Eine Verödung des Diskurses steht zu befürchten. So dient das Gespräch von Bernd Hoffmann (Jazzforscher und ehemaliger Jazzredakteur WDR) mit Ulf Drechsel, und dem Hamburger Autoren Stefan Hentz über den aktuellen Stand der Dinge als die Achse, um die herum sich Gespräche zu verschiedenen Handlungsfeldern der Kooperation zwischen Jazz und dem Medium Rundfunk gruppieren.
Einen ersten Einstieg ins Thema bietet mit Das Jazz-Radio der Zukunft, einen Gesprächsrunde, in der der WDR-Moderator Thomas Mau, die Hamburger Tonmeisterin Tamara Bendig, der Gießener Musikjournalist Hans-Jürgen Linke und Arne Schumacher versuchen, einige Dimensionen des aktuellen Bildes in die Zukunft zu extrapolieren.
In der Gesprächsrunde Jazz und seine mediale Vergänglichkeit kommt Arne Schumacher, freier Musikjournalist langjähriger Redakteur bei Radio Bremen, mit Oliver Weindling (Jazzclub Vortex, London), Stefan Hentz, Andreas Felber (Jazzredakteur von Ö1) und Andreas Kisters (Archivar RB) auf jazzhistorische Schätze zu sprechen, die sich über die Jahrzehnte in den Archiven der ARD-Anstalten angesammelt haben, von denen einige so nach und nach wieder an das Licht der interessierten Öffentlichkeit kommen. Generell stellt sich die Frage: Wie ist der Zugang zu den jazzhistorischen Quellen in den Archiven der ARD?
Weitere Aspekte der anstehenden Veränderungen der Jazzpräsentation im Radio erörtert Ulf Drechsel im Gespräch «Die Festivals und ihre medialen Präsentationen» mit Urs Röllin (Schaffhausen Festival) und Paul Zauner (InnTöne) den Kuratoren zweier der wichtigsten Festivals direkt hinter den deutschen Grenzpfosten.
Arne Schumacher befragt den mit dem Innenleben der WDR-Big Band wohlvertrauten Kölner Jazzjournalisten Jörg Heyd unter dem sprechenden Titel In a Sentimental Mood – zur Stimmungslage der ARD Klangkörper, und Ulf Drechsel hält in der Gesprächsrunde Das Jazzradio: Information, Inspiration, Interaktion, einem Dreiergespräch mit Annette Maye und dem Saxofonisten Marcus Bartelt, Ausschau nach frischen Bestrebungen, jenseits des Einzugsbereichs der öffentlich-rechtlichen Anstalten, respektables Jazz-Radio auf der Höhe der Zeit zu ermöglichen.
Den Reigen der Gespräche rundet schließlich die Podiumsdiskussion War es das? ab, in der Bernd Hoffmann mit der Geschäftsführerin der Deutschen Jazzunion, Camille Buscot, der Flötistin Stephanie Wagner, sowie den RJR-Mitgliedern Ulf Drechsel, Arne Schumacher und Oliver Weindling die Ergebnisse dieser 48. RJR-Tagung zusammenfasst und Perspektiven für kommende Radio Jazz Research-Tagungen entwickelt.

Radio Jazz Research veröffentlicht einen Aufruf der Deutschen Jazzunion:

Deutsche Jazzunion startet Kampagne „Jazz und Improvisierte Musik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten“

+++ Deutsche Jazzunion informiert über Rundfunkreform und drohende Auswirkungen auf Jazz und Improvisierte Musik in Deutschland
+++ Forderungen u.a.: Keine Kürzungen, Erhalt pluralistischer Stimmen und Abbildung der Vielfalt der Musik
+++ Kampagne mit Statements namhafter Akteurinnen und Akteuren gestartet

Berlin, 31. Juli 2024 | Im Herbst 2023 hat die ARD ihre Pläne zur Rundfunkreform vorgestellt. Seitdem ist klar, dass nach dem aktuell stattfindenden ARD Radiofestival die Abendstrecken der Kulturwellen zusammengelegt werden.

Im Mai 2024 hat die ARD den Aufbau der digitalen Plattform ARD Jazz, äquivalent zu ARD Klassik verkündet. Die Inhalte dieser sollen aktuell durch die Jazzredaktionen der Rundfunkanstalten konzipiert werden. Es stellt sich die Frage, ob es mit ARD Jazz eine reine Mediathek des stark gekürzten linearen Angebots oder ob es eigene, journalistisch fundierte und musikalisch breit aufgestellte digitale Formate geben wird.

Es droht der Verlust der Abbildung der regionalen und musikalischen Vielfalt, womit ein insbesondere zu politischen Zeiten wie jetzt so wichtiger Raum für eine pluralistische (Ab-) Bildung wegfallen würde.

Entsprechend fordert die Deutsche Jazzunion von den Entscheidungsträger*innen der Rundfunkanstalten:

- Keine Kürzung des Jazzbudgets, das heißt auch: Keine Kürzungen der Produktions- und Mitschnittbudgets bei den Landesanstalten.
- Keine Kürzungen der Programmvielfalt bei der Transformation vom Linearen ins Digitale.
- Eigene, journalistisch fundierte und die breite der Musik abbildende digitale Formate.
- Abbildung regionaler und musikalischer Vielfalt.
- Langfristig gesicherte journalistische Fachexpertise innerhalb aller Sendeanstalten.
- Erhalt der rundfunkeigenen Big Bands.

Die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die pluralistischen Stimmen und damit auch die Vielfalt unserer Musik, dürfen nicht weiter gekürzt werden!

Um die enorme Wichtigkeit und Bedeutung des ÖRR für Jazz und Improvisierte Musik in Deutschland zu unterstreichen, startet die Deutsche Jazzunion eine Social Media Kampagne, in welcher in den kommenden Wochen Statements namhafter Jazzmusiker*innen veröffentlicht werden.

Alle Informationen zum Infoblatt, den Forderungen und der Kampagne sind zu finden auf https://www.deutsche-jazzunion.de/kein-rundfunk-ohne-jazz/

Über die Deutsche Jazzunion
Die Deutsche Jazzunion tritt seit 1973 als Berufs- und Interessenvertretung auf Bundesebene für die Belange der professionellen Jazzszene in Deutschland ein. Zu den zentralen Zielen der Deutschen Jazzunion gehören eine verbesserte Präsenz und Wahrnehmung des Jazz in Deutschland sowie eine funktionsfähige Infrastruktur, in der Musiker*innen leben, arbeiten und kreativ sein können. www.deutsche-jazzunion.de

VORSCHAU AUF KOMMENDE RJR-TAGUNGEN:

48. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Radio Jazz – Gegenwart und Zukunft
Siegburg,  Abtei Michaelsberg, 12.-14. September  2024

49. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Wild Card – Offene Themen (Mitglieder und Gäste)
In Verbindung mit Internationalem Jazzfestival Münster (3.-5. Januar 2025)
Münster, 2.-4. Januar 2025

50. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: 50 Tagungen – Rückblicke, Entwicklungen und Perspektiven
In Verbindung mit InnTöne-Festival (18.-20. Juli 2025)
Diersbach (Österreich), 17.-19. Juli 2025

51. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Jazz und Politik in Deutschland
In Kooperation mit dem Lippmann+Rau-Musikarchiv
Eisenach, 16.-18. April 2026

52. Radio Jazz Research-Tagung:
Das Thema: Bücher, Bücher – Begegnungen mit neuer Jazzliteratur
In Kooperation mit dem Förderverein Jazz Hansestadt Lübeck e.V
Lübeck, September 2026

OHNE GEWÄHR

Tagungsbericht 47. RJR Tagung in Bad Goisern

47. RJR Tagung
Im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl, Salzkammergut 2024

Jazz in den europäischen Medien.
Historische Betrachtungen und aktuelle Strömungen

Bad Goisern, Goiserer Mühle 24.- 26. April 2024

In ihrer 47. Arbeitstagung in Bad Goisern fokussierte die Arbeitsgruppe Radio Jazz Research ihr Thema auf die Beziehungen zwischen Jazz und den Medien Hörfunk und TV, eine zweitägiges Meeting im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas (Salzkammergut 2024), maßgeblich unterstützt von den Jazzfreunden Bad Ischl und ihrem vitalen Konzertprogramm.

Schon bei der ersten Präsentation, in der die Amsterdamer Medienwissenschaftlerin Carolyn Birdsall von ihren Recherchen in europäischen Rundfunkarchiven aus den Jahren 1930-1940 berichtete, spielte das Thema der Speicherung und Bewahrung von Sendematerial, konkret der Aufzeichnung von Musik im Allgemeinen und von Jazz nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch klang schon an dieser Stelle sehr deutlich eine Grundüberzeugung durch, die im Grunde genommen in allen Beiträgen der Tagung in jeweils modifizierter Form formuliert wurde: Die Arbeit an der Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen dem Rundfunk und einer künstlerisch inspirierten Form von Musik wie dem Jazz ist Arbeit an einem aufgeklärten Selbstverständnis der europäischen Gesellschaften zu ihrer Vergangenheit und also zu sich selbst.

Die zentrale Bedeutung einzelner Protagonisten für die weltweite Verbreitung des Jazz unterstreicht die Arbeit des Historikers und Musikwissenschaftlers Rüdiger Ritter, der den medialen Marketing-Strategien und der Wirkung der Arbeit des legendären US-Radio-DJ Willis Conover nachforscht. Conover hatte von 1955 bis kurz vor seinem Tod 1996 in einem Strauß von Hörfunksendungen auf dem US-amerikanischen Auslandssender „Voice of America“ die frohe Botschaft des Jazz in die Welt getragen und ganz besonders in die Teile der Welt, die hinter dem Eisernen Vorhang lagen. Conover transportierte nicht nur amerikanischen Jazz in den sogenannten Ostblock, sondern baute bei seinen Festivalbesuchen in Polen und der Tschechoslowakei, in Ungarn und der Sowjetunion mit seinem Interesse an der dort entstehenden Jazzmusik eine Rückkopplungsschleife auf, die den Jazz vor Ort  in das internationale Programm hob und damit wiederum die lokalen Szenen bestärkte.

Drei Referenten, der Jazz- und Medienforscher und frühere WDR Jazzredakteur Dr. Bernd Hoffmann, Tim Wall, Professor of Radio and Popular Music Studies aus Birmingham und Dr. Andreas Felber, aktueller Jazzredakteur bei Ö1 in Wien, thematisierten die Bedeutung der Vermittlungsarbeit öffentlicher Rundfunkanstalten für die jeweiligen Jazzszenen in Deutschland, Österreich und Großbritannien: Hoffmann stellte in seinem Vortrag sechs Fernseh-Sendereihen der 1950er- und 1960er-Jahre aus dem Sendeverbund der ARD (von HR, NDR, SWF, SFB, RB und WDR) vor und analysierte die thematisch sehr unterschiedlichen journalistischen und künstlerischen Profile in der Darstellung improvisierten Musik. Die Häufigkeit ausgestrahlter Ausgaben wie „Jazz – gehört und gesehen“, „Jazz für junge Leute“ oder die „Notizen aus der Jazz-Werkstatt“ überrascht, zwischen 1955-1966 wurden über 122 Fernsehproduktionen gesendet.  Tim Wall skizzierte die Entwicklung der Jazzrezeption in Großbritannien anhand der verschiedenen Zielgruppen zugeordneten Programmschienen der zentralisierten Radio- und Fernsehanstalt BBC und bezog auch die inhaltliche Arbeit des legendäre Fernsehprogramms „Jazz 625“(1964-1966) mit ein. Wie bei Hoffmann überwiegen bei „Jazz 625“ die Sendungen mit nationalem Modern Jazz, in ihrer Anzahl direkt gefolgt von den neotraditionell spielenden Ensembles. Andreas Felber unterstrich schließlich die noch immer erfreulich stabile Entwicklung des Programmsegments Jazz in der Kulturwelle Ö1 (Hörfunk ORF) und verwies in diesem Zusammenhang auf die hohe Akzeptanz der Arbeit der Ö1-Jazzredaktion in der österreichischen Szene, die sich bisher bei auch hierzulande gelegentlich auftretenden Impulsen, den Umfang dieser Form von zeitgenössischer Kulturarbeit und Gegenwartsreflexion weiter einzudämmen, als Schutzwall mobilisieren ließ. Den entscheidenden Beitrag zur Resilienz dieses Programms muss man auch hier in der historischen Reihe handelnder Protagonisten u.a. von Moderator Walter Richard Langer oder dem früheren Ö1-Jazzredakteur Herbert Uhlir suchen .

Einen Seitenblick in eine andere Medienwelt lieferte zum Abschluss der Tagung die Podcasterin Tara Minton aus London, die zusammen mit ihrem Co-Host Rob Cope in radikaler Selbstausbeutung im Do-it-yourself-Verfahren einen Podcast hostet und betreibt. „The Jazz Podcast“ ist ein Gesprächspodcast, der, vertrauend darauf, dass es den beiden Hosts als Musiker:innen gelingen wird, Nähe zu ihren Gästen und einen spannenden Gesprächsverlauf aufzubauen, ohne große theoretische und ästhetische Umschweife (und gelegentlich  auch ohne Musik) technisch weitgehend unbearbeitete Gespräche mit Musikern präsentiert. Ein Gegenpol zu dem journalistischen Professionalismus all der anderen Darbietungen, die bei dieser Tagung Thema waren: schnell, direkt, enthusiastisch. Und damit nähert sich „The Jazz Podcast“ ungewollt  dem Rekurs europäischer Jazzszenen der frühen Nachkriegsjahre, interessiert am Tun und unbekümmert um den Stand der Diskurse.

Die Zukunft des Journalismus?  

Stefan Hentz

Keine Reduzierung des Jazz-Angebots in der ARD!

Radio Jazz Research unterstützt den Aufruf der Deutschen Jazzunion:

Pressemitteilung
Keine Reduzierung des Jazz-Angebots in der ARD!
Deutsche Jazzunion fordert ARD-Intendanzen zur Transparenz auf Berlin, 02.11.2023 | Die Deutsche Jazzunion fordert die Intendanzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu mehr Transparenz auf. Die geplanten Umstrukturierungen im Kulturangebot der ARD-Radiosender erfordern die Einbeziehung der Fachexpertise von Berufsverbänden und Szeneakteur*innen. Die Deutsche Jazzunion hatte im September einen offenen Brief an die Verantwortlichen der ARD gerichtet, der bereits von über 2.300 Institutionen und Personen mitgezeichnet wurde. In einer Stellungnahme des Arbeitskreises Medien der Deutschen Jazzunion heißt es: >> Die Rundfunkanstalten der ARD planen für ihre Radioangebote derzeit die Zusammenlegung von Sendestrecken ihrer Kulturwellen. Die offizielle Informationslage ist derweil dünn – die Vorbereitungen und Verhandlungen finden weitestgehend hinter verschlossenen Türen statt. Nach bisherigen Verlautbarungen aus dem Kreis von ARD-Programm-Verantwortlichen betreffen die geplanten Änderungen insbesondere die Abendstrecke zwischen 20.00 und 24.00 Uhr. Anstelle der bisherigen Vielfalt mit eigenen regionalen Kulturprogrammen soll es offenbar im Hörfunk der ARD ein bis zwei zentral gestaltete Programme geben, die am Abend bundesweit ausgestrahlt werden. Damit sollen zahlreiche Sendungen, gerade auch jene mit regional ausgerichteten und spezifischen Inhalten, eingestellt werden. An ihre Stelle sollen vereinheitlichte Sendungen zu verschiedenen Kulturbereichen treten. Der damit einhergehende Verlust an kulturjournalistischer Vielfalt sowie an regionalen und lokalen Programminhalten ist dramatisch und betrifft alle Kultursparten – ganz besonders aber Jazz, Klassik und zeitgenössische E-Musik. Das wirft Fragen auf zum aktuellen Selbstverständnis der ARD sowie zum Kultur- und Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Letzterer wurde als föderales System mit dem Ziel von Vielfalt und Vielstimmigkeit als Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung geschaffen. Eine Verlagerung in das digitale Angebot birgt bei ausreichender Berücksichtigung des Jazz zwar Potenzial, kann aber kein Ersatz für die Erfüllung des Auftrags im linearen Programm sein. Exemplarisch sind die absehbaren Folgen für den Gesamtbereich Jazz gravierend. Die geplante Zentralisierung wird die Sicht- und Hörbarkeit des Jazz in all seiner Vielfalt schmälern und zu weniger Produktionen und exklusiven Programminhalten in den Kulturradios der ARD führen. Und neben der Zahl der Sendestrecken für Konzertmitschnitte droht sich auch die Zahl der Studioproduktionen zur Förderung und Entwicklung des Jazzgeschehens in Deutschland in der Folge deutlich zu verringern. Dem Publikum wird damit die Vorabinformation über lokale Konzerte und Festivals nahezu vollständig genommen, Veranstalter*innen müssen damit rechnen, Konzertbesucher*innen zu verlieren. Das heißt: weniger Auftrittsmöglichkeiten und weniger Einnahmen für die Musiker*innen und somit weniger Präsenz in der Öffentlichkeit – dem Jazz als für die gesellschaftliche Selbstverständigung relevanter, künstlerischer Musikgattung droht in Deutschland das Aus. Davon betroffen werden auch die vier Bigbands der ARD sein, deren Livekonzerte und Mitschnitte in der Regel auf den ARD-Kulturwellen ab 20 Uhr ausgestrahlt werden – ein enormer Verlust für die internationale Strahlkraft des Jazz aus Deutschland. Dabei ist dies die Musikform, die direkt gesellschaftliche Entwicklungen kommentieren und unterstützen kann, quasi aus dem Moment heraus. Jazz steht auch und gerade für Integration, die Sicht- und Hörbarkeit von Minoritäten, Diversität, für grenzüberschreitenden kulturellen Austausch, kollektives Miteinander, Selbstermächtigung und individuelle Freiheit des Ausdrucks. Das hat in unserer Zeit eine große gesellschaftliche Relevanz. Angesichts dessen ist es umso unverständlicher, dass die ARD Umfang und Vielfalt des Jazzangebots drastisch reduzieren will. Die Pläne der ARD zur Zusammenlegung von Sendestrecken der Kulturwellen sind somit weit mehr als einfach nur eine weitere Programmreform. Sie sind sogar umso fragwürdiger, als sie keinen spürbaren „Spareffekt“ bringen werden. Hier handelt es sich offenkundig um reinen Aktionismus. Deshalb fordern wir: eine öffentliche, transparente Darlegung der Pläne durch die ARD; eine offene Diskussion unter Einbeziehung von Vertretungen aller betroffenen Kulturbereiche; die Befassung des Ausschusses für Kultur und Medien des Dt. Bundestags mit der Angelegenheit; die Befassung der Kultur-AG der Kulturminister*innen-Konferenz. Zudem wiederholen wir die zentralen Forderungen aus dem offenen Brief der Deutschen Jazzunion: Keine Zusammenlegung von Sendestrecken; kein Abbau, sondern Erhalt und Ausbau des linearen Jazzangebots in den öffentlich-rechtlichen Kulturwellen – vor allem am Tag; keine Reduzierung, sondern Erhalt und Ausbau  des Sendevolumens, von Konzert- und Festivalmitschnitten, von Autor*innen-Sendungen sowie regionaler Berichterstattung; ein klares Bekenntnis der ARD zur Bedeutung und Vielfalt des Jazz und ein entsprechend verbessertes, auch regional ausgerichtetes Angebot! << Im Arbeitskreis Medien der Deutschen Jazzunion treten Medienvertreter*innen aus Rundfunk, Print und Online mit Vertreter*innen des Berufsverbands der Jazzmusiker*innen zusammen, um an übergreifenden Fragestellungen zu arbeiten. Der offene Brief «Kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ohne Jazz!» kann weiterhin unter www.deutsche-jazzunion.de/kein-rundfunk-ohne-jazz mitgezeichnet werden. Diese Pressemitteilung auf der Webseite der Deutschen Jazzunion

Tagungsbericht 44. RJR Tagung in Münster

44. RADIO JAZZ RESEARCH-Tagung 

„Wildcard“

Ein Bericht von Stefan Hentz

Auch bei der 44. Arbeitstagung der Arbeitsgruppe Radio Jazz Research, die zu Jahresbeginn in Münster stattfand, zeigte sich wieder einmal, dass es im Bereich Jazz häufig gerade die offenen Situationen sind, in denen sich – Zufall oder nicht – erstaunliche Tiefenbohrungen beobachten lassen. So verhielt es sich zum Beispiel bei dieser nicht durch ein gemeinsames Oberthema auf Linie gebrachten Tagung, das schon die Reibung zwischen den ersten drei Referaten die Tagung auf Betriebstemperatur brachte. Alle drei Vorträge fokussierten Grundsätzliches und arbeiteten daran, den Diskurs aus dem fluffigen Reich der Mythen in die Realwelt des Konkreten zurück zu verpflanzen, dorthin, wo klare Begriffe und Definitionen zählen.

Mit dem Begriff der Innovation im Jazz hatte sich der Siegburger Kommunikationswissenschaftler Michael Krzeminski einem Thema zugewandt, das als Qualitätsmaßstab im Jazz – also unter den Musikern und Akteuren – als expliziter Begriff eher nicht vorkommt, im alltäglichen Gespräch von Jazz-Rezipienten, von Fans und Experten, untergründig jedoch höchst präsent ist. Zumindest im Sinne der Ablehnung von schierer Epigonalität oder eines andauernden ästhetischen Stillstands ist die Forderung nach Innovation eine stete Begleitmusik der Beurteilung von Jazz. Mit dem Begriffsbesteck des Soziologen entwickelte Krzeminski die verschiedenen Komponenten des Begriffs „Innovation“ – als komplexen Vorgang und Gegenbegriff zu der mit Wirkmacht weniger aufgeladenen „Novität“. Innovationen seien „als Ergebnis einer gesellschaftlichen Abstimmung über die Akzeptanz technischer Neuerungen/Verbesserungen“ aufzufassen, „das Neue und Bessere“ gelte nur dann als Innovation, „wenn es einen sozial akzeptierten Sinn erfüllt“. Mit Nachdruck entwickelte Krzeminski dabei die Komplexität der soziologischen Perspektive auf den Begriff der Innovation, nach der technische Neuerung sich nur dann in ihrem gesellschaftlichen Umfeld durchsetzen kann, wenn sie bei einem Besonders interessierten Fachpublikum mit der wirtschaftlichen und der technischen Kapazität, die neue Technik zu verbreiten, auf Resonanz stößt und sich in einem Fünfsprung von der Ingeniosität der Neuerung über ihre Publizität in der interessierten Öffentlichkeit und ihre später Inszenierung für ein breiteres Publikum  über den Status einer vergänglichen  Episode hinaus schließlich zum Signum einer ganzen Epoche entwickelt.

Provoziert von Vorschlägen aus der deutschen Jazzszene, Jazzhochschulen in «Black American Music Institutes» umzutaufen, und damit eine Art Eigentumstitel auf die musikalische Kunstform Jazz zu etablieren, der in der Konsequenz eine Hierarchie der Zugriffsberechtigung auf das Erbe des Jazz beinhalten würde, ging der Kölner Publizist Michael Rüsenberg unter der plakativen Überschrift „Wem gehört der Jazz“ den derzeit in den USA (und – mangelhaft übersetzt – längst auch in Europa und Deutschland) verbreiteten Bestrebungen nach, den Jazz als urwüchsig afroamerikanische Kunstform zu definieren und ihn moralisch im Sinne seines Ursprungsmythos für den Dienst an der Community der afroamerikanisch dominierten Gründer der Kunstform zwangszuverpflichten. Zunächst rekonstruierte Rüsenberg ein Thesengebäude des US-amerikanischen Literaturwissenschaftlers und Jazz-Forschers Gerald Early, der seine Abwehr einer „europäischen Jazz-Sensibilität“ an der nicht swingenden Improvisationsmusik von Keith Jarretts Köln Concert festmacht. Nach Early sei der Erfolg dieser Musik nur dadurch plausibel zu begründen, dass dem Publikum erst in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre deutlich wurde, dass Jarrett nicht afroamerikanischer Abstammung ist. Jarrett habe, das konzidiert Early, „sich nicht absichtlich“ als Schwarzer ausgegeben, aber „als sein Publikum in den späten 1970er Jahren sein Weißsein erkannte, hatte er in gewisser Weise das Problem der Authentizität in Verbindung mit dem Begriff des Privilegs neu aufgeschrieben.“ Und konnte damit erst so erfolgreich werden, wie er wurde. So schlicht konstruiert Early seine Gleichsetzungen zwischen Hautfarbe, Herkunft, sozialem Status, und einem Blutsrecht darauf, erfolgreich sein zu können. Ähnliche Argumentationsfiguren weist Rüsenberg in der Verschriftlichung eines Vortrags nach, den der Flötist und „Antirassist in der deutschen Jazzausbildung“, Vincent Bababoutilabo, beim 17. Deutschen Jazzforum 2021 in Darmstadt gehalten hat. Bababoutilabo, der von sich sagt, dass ihm das Hören von John Coltranes „Alabama“ den entscheidenden Impuls gegeben habe, sich politisch als Aktivist im Sinne antirassistischer Bildungs- und Organisationsarbeit zu engagieren. Doch seit er begonnen hat, in Leipzig Jazzflöte und Musikpädagogik zu studieren, sei ihm dieser Anschub in Richtung seines politischen Aktivismus nicht wieder begegnet, zumindest nicht als Teil des Studienprogrammes. Im Gegenteil, In einer etwas unvermittelten Abgrenzung zu der Musik von Beethoven, auf die sich Bababoutilabo zufolge „Menschen weltweit beziehen können, ohne dass die Musik und ihre Geschichte dabei weniger aufklärerisch werden“, ist die „Black Music“ offenbar weniger immun. „Wenn sich die Institute der sogenannten „westlichen Hochkultur“ Schwarze Musik aneignen, wird sie irgendwie weniger subversiv und weniger Schwarz.“ Bababoutilabos Schlüssel für diesen Widerspruch? Rassismus, ein Wort, das Bababoutilabo ohne jedwede Bemühung um kontextualisierende Differenzierung als ein Synonym für die Vorstellung eines privilegierten (=weißen) Bevölkerungsteils, anderen Bevölkerungsgruppen überlegen zu sein, versteht. Unter Ausblendung jedweder Diversität menschlichere Zugehörigkeiten und Seinsformen bleibt Bababoutilabo hier in recht plumpen Dichotomien verhaftet, schwarz – weiß, privilegiert – nicht privilegiert, deren konsequente Anwendung neue Kontaktsperren- und Zugriffshierarchien zu den Quellen und den Gründungsmythen des Jazz erzeugen würden. Beiträge europäischer oder gar weißer Akteure – von Akteurinnen ist in diesem Zusammenhang eher nicht die Rede – stehen in dieser Sicht eher nicht zur Debatte. Entstanden als eine afroamerikanische Musikform und damit per ethnischer Zugehörigkeit widerständig, besteht die Notwendigkeit, ihn gegen Vermischungen und Verstöße gegen Reinheitsgebote und andere Einflüsse aus der weißen Welt der Privilegien, zu imprägnieren.

Der Idee eines Primordialismus, der davon ausgeht, dass Gemeinschaften und Identitäten auf einer »wirklichen«, substantiellen Gemeinsamkeiten gründen, die wiederum bestimmte kulturelle Verfahren hervorbringen, korrespondiert ein weiterer Begriffskomplex, der derzeit in den Diskursen um den Jazz Konjunktur hat: der Begriff der „kulturellen Aneignung“, zumeist im Umfeld von kulturellen Begegnungen und Vermischungsprozessen in Form der Klage über die kulturelle Enteignung einer – aus welchen Gründen auch immer – unterlegenen Kultur durch die nun siegreiche Dominanzkultur. Auf derartige Debatten über Identitäts- und Besitzverhältnisse im Bereich des Jazz bezog sich Gerhard Putschögl (Frankfurt/Main) in seinem Referat „Reinterpretation/Covering unter der Perspektive der ‚kulturellen Aneignung’“. In einem ersten Schritt stellte Putschögl zwei widerstreitende Positionen zum Konzept der kulturellen Aneignung vor. Während der Sozialwissenschaftler Lars Distelhorst in seinem Buch Kulturelle Aneignung (2021) die Standarddefinition der kulturellen Aneignung als „eigenmächtige Übernahme von Elementen einer unterdrückten Kultur durch die Angehörigen einer Dominanzkultur“ ausbreitet und die Frage nach der Gleichberechtigung der beteiligten Kulturen  in den Fokus rückt, hält die Philosophin Ursula Renz schon die Idee eines „kulturellen Eigentums“ für problematisch: „Denn Kultur ist immer auch Kulturtransfer.“ Dabei stellt sie nicht in Frage, dass es in den Debatten um „kulturelle Aneignung“ vor allem um die Wahrnehmung von Status- und Machtgefällen zwischen einer dominanten und einer Minderheiten-Kultur. „Aber das Aneignen selber, das ist Kultur. Das finden wir in der ganzen Kulturgeschichte immer wieder: in der Literatur, in der Musik, in der Philosophie.“

Anschließend diskutierte Putschögl die widerstreitenden Interessen bei der kulturellen An-/ Enteignung von musikalischen Formen im Bereich der Jazz- und Popmusikgeschichte anhand der zentralen Kriterien Respekt vs. Profitinteresse. Musiker wie die Trompeter Don Ellis oder Don Cherry oder der Gitarrist John McLaughlin, die sich intensiv mit den Musikkulturen beschäftigt haben, aus denen sie Elemente für ihre eigene Musik übernommen haben, seien demnach ebenso legitim wie in einer viel früheren Periode des Jazz die Übernahme von Elementen der Formensprache des Jazz ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob diese ihr Publikum vielleicht stören könnten. Prominente Gegenbeispiele wären die Original Dixieland Jass Band, eine rein weiße Band, die 1917 eher aus Zufall als aus musikalischer Relevanz die „erste“ Schallplatte mit Jazz (in dem Sinne, dass Jass im Namen der Band auftauchte und der Begriff Jass oder wenig später Jazz fortan als Gattungsbezeichnung weiterlebte) einspielten und mit Selbstbezeichnungen wie Columbus of Jazz (für den Bandleader und Kornettisten Nick LaRoca) schon frühzeitig die Klaviatur des Marketing bespielte.

Wie schwer es manchmal sein kann, zu unterscheiden zwischen Selbst-Identifikation mit einem bestimmten Musikstil und seiner Ausschlachtung für kommerzielle Zwecke, erläuterte Putschögl schließlich am Beispiel von Sting, dessen musikalischer Werdegang stark vom Einfluss des Reggae geprägt war, was ihm in den letzten Jahren einige Kritik unter dem Stichwort kulturelle Aneignung bescherte. Aufgewachsen in einem Viertel, in dem viele Bewohner aus Jamaica stammen, war er schon früh vertraut mit dem Reggae und betonte immer wieder, wie verbunden er dieser Musik und ihren Schöpfern ist. Deutlich wird an dieser Stelle, wie wacklig Zuordnungen zu bestimmten Gruppenidentitäten sind: Sprache, Religion, Race z.B., so schloss Putschögl, seien äußerst unzuverlässige Indikatoren.

Ein zweiter Themencluster thematisierte die Instrumentalisierung des Jazz im Kulturkampf der Systeme zur Zeit des Kalten Krieges. Konstantin Jahn (Dresden) verfolgte in „Henry Pleasants oder die Jazz-Hipster der CIA“ die Versuche des Leiters des CIA-Büros in Bonn, mittels des Freiheitsversprechens, das man dem Jazz (und auch der abstrakten Malerei) zuschrieb, kulturelle Geländegewinne gegenüber der zweifelhaften Attraktivität des sogenannten „realen Sozialismus“ zu erzielen, und stieß dabei auf eine sehr eigentümliche Balance zwischen der erstaunlichen kulturellen Modernität des Kreises um Henry Pleasants (und auch auf Seiten seiner deutschen Gegenüber in der Organisation um den umstandslos entnazifizierten Nazigeneral Reinhard Gehlen) und der Bereitwilligkeit ihrer Dienstfertigkeit im Umfeld ihrer geheimen Aktivitäten im Nebel des Kalten Krieges.

Als symmetrisches Gegenstück hierzu fungierte Rüdiger Ritters (Mainz) Vortrag „Ein zweischneidiges Schwert“, der seinerseits die Bemühungen, den Jazz seitens der Sowjetpropaganda in den Ländern des Warschauer Pakts nutzbar zu machen, darstellte. Ritter stellte dabei die verschiedenen Phasen dar von der offenen Verunglimpfung des Jazz als Ausdruck einer dekadenten Lebensweise über den Versuch seiner Domestizierung durch die Übernahme einzelner Elemente des Jazz über die Förderung des Volkslieds als Gegenmodell zur Abstraktion des modernen Jazz bis hin zu Versuchen der erstickenden Umarmung inklusive der persönlichen Einladung an den Radio-DJ Willis Conover, der im Gegenzug half, die Jazzszenen in den Ländern des Ostblocks zu vernetzen und ihren musikalischen Protagonisten auch im Westen bekannt zu machen.

Nach einer kurzen Aktualisierung, die Iwan Wopereis’ (Rotterdam) zum Fortgang seiner empirischen Erhebung „Music experts› knowledge on improvisational expertise: The RJR case“ auch über den Arbeitskreis Radio Jazz Research selbst angefertigt hatte, beschloss Christian Rentschs (Zürich) düsterer Bericht über jüngste Etat-, Sendeplatz- und Seriositäts-Kürzungen beim öffentlichen Schweizer Rundfunk unter dem Titel „Die Misere der Jazzkritik“, die einer ernstzunehmenden Jazzkritik kaum noch einen Hub Luft zum Atmen lassen, die Tagung.

Inntöne Festival 21.-23. Juli 2023 in Diersbach

INNtöne Festival

Musik aus dem hohen Norden und tiefen Süden:
Die Inntöne gehen wieder auf Weltreise

Ein Festivalbericht von RJR-Mitglied Oliver Weindling

Inntöne proves  Radio Jazz Research is not only about radio and jazz is totally wrong. And, with its Austrian ‘Ehrenmitglied’ Paul Zauner, it has a live music promoter here in his element. Carefully curating, being the genial host, on his own family farm.

Through his diligent research, we have a great idea of the cross section of quality jazz and improvised music which is around. Hardly as intimate as a club such as the Vortex, there is nevertheless a contact with musicians and indeed Zauner, who is often to be seen in the audience with a broad grin as he appreciates the music.

More than enough space for all, and an excellent choice of food and drink, the festival this year experimented and grew, using better its spaces such as the barn, where the festival used to be focussed before Covid.

While the music more than nods to its American roots, the selection of musicians had a strong European feel, as well as a great diversity.

There were a couple of ‘tributes’. First, more directly, a reworking of Mingus’s classic “The Black Saint and The Sinner Lady”, by saxophonist Clemens Salezny and Gregor Aufmesser, which allowed us to realise how a live performance of a classic can really add to our appreciation; and the other, more indirectly, David Helbock’s Austrian Syndicate, dedicated in name at least to Joe Zawinul, the Austrian keyboard trailblazer. Helbock is very much at the forefront of the band, relishing the opportunity to experiment, almost hyperactively, on his set of keyboards. Tempered by pianist Peter Madsen (equally a father figure of the Austrian scene especially in the west of Austria from where Helbock comes) and a trio of bass, percussion and drums. They balance the high energy and electricity which Helbock delivers.

The Austrian Syndicate was one of the daily energetic openers which would wake us up for the music ahead.

Similarly, we heard baritone saxophonist Helga Plankensteiner on Saturday with a tribute to the music – and outgoing personality – of Jelly Roll Morton. We were reminded of his other activities, such as gambler and pimp, as well as giving us a strong argument for his claim that he ‘invented’ jazz. A band which focussed on the lower registers, since in addition to Plankensteiner was bass clarinettist Achille Succi, sousaphone and drums.

Sunday’s opener was exciting as it was a chance to hear the first gig in a while of Tom Challenger’s Brass Mask. By slightly changing the lineup, apparently by force of circumstance as much as volition, he had an extra trumpet in Byron Wallen (who also doubled beautifully on conch shell) and used Caius Williams on electric bass (instead of tuba). It gave a good basis for new compositions, which were added to some of the band’s New Orleansy stalwarts.

Brass Mask was one of a particular feature on bands from London, of quite a variety. Xhosa Cole brought his quartet, and mesmerised with his Monk tunes in particular (where he brought on Byron Wallen and George Crowley as guests) but was highlighted by a solo version of Round Midnight.

There was also Freight Train, with Irish folk diva Cathy Jordan , egged on by Liam Noble and Paul Clarvis. Jordan is quite a blues shouter, and, behind her, Noble and Clarvis delivered their (dis)respectful takes on the music.

Zara MacFarlane took, I think, a couple of tunes to warm up. But by the end she had the audience in raptures with her jazz fused with soul, and her bubbly personality.

The other band from London was very different. Alexander Balanescu came with his string quartet. Perhaps best known nowadays for his arrangement of the University Challenge theme on TV, here he showed why this band had been at the forefront of the diversification of the string quartet repertoire. Especially effective was his violin rhapsodizing in the style of Romanian and Balkan folk musicians, reflecting his own roots in Romania.

Perhaps the closest to an ‘American’ quartet was that of saxophonist Hermon Mehari, born and brought up in Kansas.  But the name of the group ‘Asmara’ gives away his Eritrean roots, which are subtly infused through the set.

There was a strong focus on woman performers in addition to those mentioned above. Pianist Johanna Summer played a solo set, building on her classical reinterpretations. Then there were three all-female bands. Two contrasting trios, with ECM saxophonist Mette Henriette, playing a minimalistic Nordic set with piano and cello, and the punkish, heavy groove of the high energy French band Nout (on which more in Alison Bentley’s review from Suedtirol).  The repertoire could have felt unexpected with instrumentation of flute, harp and drums, as it grew from a quieter minimalistic start.

But also the all-star Scandinavian band of mesmerising percussionist Marilyn Mazur. Shamania gives a good indication of spirituality, here from a more northerly perspective, much of the music dating from the need to find new alternatives during lockdown. Balancing energy and giving a lot of freedom for musicians such as Danish saxophonist Lotte Anker, Norwegian trumpeter Hildegun Oiseth and Josefina Cronholm.

As much as the openers each day set us up, the closers on the main stage also balanced showmanship and technique. Brazilian accordionist Renato Borghetti, who played instruments of all sizes, was matched by the virtuosity of the rest of his band, reeds Pedro Figuereido, guitarist Daniel Sa and pianist Vitor Peixoto. And, finally on Sunday, Vieux Farka Toure built up the pace and volume steadily in a performance of desert blues, so that, by the end, we were all dancing as darkness fell.

But that wasn’t all, since the event also had us enjoying the history of jazz (in the farm’s barn) using some of the few US band leaders there, with Chanda Rule’s Sweet Emma band and veteran gospel/blues singer Janice Herrington and the jam in the pub (pigsty). By the way, on these we had a festival first, in that Paul Zauner broke one of his own rules of the festival, and joined in on trombone, only the second time in the 30+ years of the festival, he had blown his own instrument. Then on Sunday night the jam was graced with legendary 86-year old Kirk Lightsey, who had rushed over from London. Sounding like someone less than half his age, he played with an imagination that really placed him in the pantheon of Detroit great pianists which included Barry Harris and Tommy Flanagan. It boosted the rest of the band (led by Dmitry Baevsky on alto and Joe Manarelli on trumpet) who had already played well enough the night before with Oliver Kent on piano.