Jazz in der Schweiz
Am 7. und 8. Mai 2010 folgten die Mitglieder des Radio Jazz Research einer Einladung Urs Röllins nach Schaffhausen. Der Festivalleiter lud zum 7. Mal zu den „Schaffhauser Jazzgesprächen“ im Vorfeld des Schaffhauser Jazzfestivals. Die 14. Arbeitstagung von Radio Jazz Research fand dementsprechend unter dem Motto „Jazz in der Schweiz“ statt.
Das Tagungsprogramm
- Schaffhausener Jazzgespräche Jazz und soziale Krise
- Bruno Spörri Von der «Tschetzpend» zum Halbstarkenbunker – von den Anfängen des Jazz in der Schweiz
- Christian Steulet Jazz und Kulturpolitik in der Schweiz
- Prof. Dr. Ekkehard Jost Barbü Lüdi – Ein Wegbereiter des Free Jazz in Europa? Musikalisch und fotografisch belegter Bericht eines Zeitzeugen
- Peter Bürli Jazz im Radio in der Schweiz
- Schaffhausener Jazzgespräche Jazz und mediale Krise
Das erste Schaffhauser Jazzgespräch bildete dann auch den Auftakt zur zweitätigen Arbeitstagung und lud mit dem Titel „Jazz und soziale Krise: Lieber allein als zusammen“ zur Diskussion ein. Ein für die meisten Gäste aus Deutschland weitgehend unbekanntes Thema: der Röschtigraben. Die Überwindung der kulturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Schweizer Kantonen beschert auch Jazzern, die auf Weltoffenheit und Grenzgängertum schwören, offensichtlich Mühe. Erfolglos waren und sind die Versuche der helvetischen Föderation mittels Kooperation diesem Problem der kulturellen Gräben zwischen der deutschen, der italienischen, der französischen und der rätoromanischen Schweiz zu begegnen. Antworten auf die Frage der daraus folgenden sozialen Krise in der Schweiz suchte man mit organisierten Austauschprogrammen zu begegnen, deren Vor- und Nachteile lebhaft diskutiert wurden.
Einen tieferen Einblick in die Jazzgeschichte der Schweiz bot den Mitgliedern von Radio Jazz Research im Anschluss Saxofonist und Klangforscher Bruno Spoerri. Der Autor und Herausgeber des Werkes „Jazz in der Schweiz“ gab einen Überblick von den Anfängen bis zur aktuellen Situation des Jazz in seinem Heimatland. Unter dem Motto „Von der Tschetzpend zum Halbstarkenbunker“ berichtete der Zeitzeuge vom Jazz in einem Land, das in der Jazzwelt nur am Rande wahrgenommen wird, aber dennoch einige große Persönlichkeiten hervorgebracht hat.
Prof. Dr. Ekkehard Jost porträtierte in einem Vortrag den Schweizer Musiker Barbü Lüdi. Anhand von Fotografien und Musikbeispielen ging Jost der Frage nach, ob der Schweizer Altsaxofonist ein Wegbereiter des Free Jazz in Europa war. Lüdi, mit bürgerlichem Namen Werner Lüdi, ging Ende der 1950er Jahre nach Hamburg, spielte dort in verschiedenen Hardbop-Amateurgruppen und ging um 1963 für kurze Zeit mit der Gruppe von Gunter Hampel auf Tour. Später zog er sich dann von der Jazzszene zurück. Woran Ekkehard Jost unter anderem erinnerte, war seine expressive Improvisationsweise, die so manchen Cool- und Westcoast-Anhänger aus dem Gleichgewicht brachte. Einen Einblick in die Jazz-Radiolandschaft der Schweiz gab es von Peter Bürli, dem Redaktionsleiter Jazz im DRS 2 Radio.
Ein weiteres Schaffhauser Jazzgespräch wurde von einem Referat Dr. Bernd Hoffmanns eingeleitet, der die mediale Krise und das daraus folgende Schattendasein des Jazz in Deutschland skizzierte. Unter dem Titel „Kein Platz für schräge Töne“ zeichnete er ein Bild von der teilweise katastrophalen Situation des Jazz in den deutschen Medien. Im Anschluss diskutierten unter anderem Barbara Gysi, Musikchefin von DRS 2 und Manfred Pabst, Kulturchef NZZ am Sonntag, über die Gefahr, dass der Jazz, angesichts krisenbedingter Umwälzungen in der Medienbranche, in die mediale Bedeutungslosigkeit absinkt. Heftige Kritik übten die Teilnehmer der Diskussion vor allem am Schweizer Fernsehen. Christian Eggenberger, Musikchef von SF Kultur, musste sich die Frage stellen lassen, warum Jazz nicht mehr oder nur noch peripher im Kulturfernsehen stattfindet.