24. Arbeitstagung in Lübeck | 19. und 20. Juni 2014

Jazz und Identität – Zum Verständnis Improvisierter Musik

Es war schwer verdauliche Kost, der sich die Teilnehmer der 24. Arbeitstagung des Arbeitskreises Radio Jazz Research am 19./20. Juni in Lübeck aussetzten, ein Höhenflug in die Zonen des Grundsätzlichen, der durch die autobiographische Selbstreflexion des Gitarristen Jean-Paul-Bourelly jedoch glänzend ausgewogen wurde. Nachdem die ausführliche – und im Jazzdiskurs noch immer unterrepräsentierte – philosophische Reflexion zunächst die Arbeit an der Genauigkeit und Gegenwartstauglichkeit des Begriffsapparates, mit dem man dem Jazz gegenüber tritt, in den Fokus rückte, und ein Blick über die Grenzen des Genre Jazz hinaus verdeutlicht hatte, wie wenig der Jazz am Ideenaustausch zwischen anderen Kulturfeldern Teil hat, schwenkte die Tagung im weiteren Verlauf immer stärker auf ein historio- oder biographisch grundiertes Debattenlevel ein, das wiederum der Sinn des Strebens nach begrifflicher Klarheit besonders deutlich hervor kehrte und das Tagungsprogrammverlauf wie einen perfekt gespannten Bogen erscheinen ließ.

Ausgangspunkt dieses Bogens war ein Seil, das aus ganz vielen bunten Fäden geflochten ist. Obwohl keiner dieser verschiedenfarbigen Fäden das ganze Seil von vorne nach hinten durchzieht, kann das Seil lang sein, sehr fest und robust. Mit dem Bild eines solchen Seils umschreibt der Mainzer Philosoph Thomas Metzinger seine Vorstellung von einer personalen Identität über die Zeit und verschiedene Lebensphasen hinweg. Damit verabschiedet er die Vorstellung eines Persönlichkeitskerns, der sich als Roter Faden durch eine ganze Biographie zieht. Metzinger war einer der Kronzeugen in Michael Rüsenbergs Eingangsreferat, das der 24. Radio Jazz Research Tagung zum Thema „Jazz und Identität – Zum Verständnis Improvisierter Musik“ den abstrakten Rahmen vorgab. Denn bisher ist es so, dass im Bereich Jazz, stärker als in anderen Bereichen der Kommunikation oder der Kunst, der mit sich selbst identische improvisierende Künstler im Fokus der Betrachtung steht. Schwarz oder weiß, Mann oder Frau, US-amerikanisch oder europäisch, skandinavisch, mediterran oder jüdisch – immer wieder wird die identitäre Folie herangezogen, um die Musik eines Musikers oder einer Gruppe von Musikern zu reflektieren und ästhetische Entscheidungen zu erklären.

In der Philosophie, so der Ausgangspunkt von Rüsenbergs Referat, herrscht dagegen längst weitgehend Einigkeit, dass traditionelle Vorstellungen von Identität, von aufgrund wesenhafter Prägungen autonom aber konsistent und vorhersehbar handelnden Individuen einer kritischen Überprüfung an der Realität nicht stand halten. „Das Ich ist eine metaphysische Verkehrtheit”, so spitzt Richard David Precht, ein populärer Philosophie-Erklärer, der vor einigen Jahren mit seinem Bestseller „Wer bin ich, und wenn ja wie viele“ bekannt wurde, den lang schon etablierten Konsens seiner Zunft zu, “es gibt empirisch gesehen kein Ich, sondern nur Individuen“. Immerhin. In einem Vortrag vor einem akademischen Philosophenzirkel fasste Precht diese Aufsplitterung des Ich in dem Bild von acht getrennten Ich-Bereichen zusammen, die wie ein Orchester zusammenwirken, „als wären diese acht „Iche“ verschiedenene Instrumente, von denen mal eines ausfallen kann, dann klingt das Ganze anders, die aber in irgendeiner Form so zusammenspielen, dass ein Ich als Erlebnisstrom in Ihnen waltet.“ Und von dem Bild des Orchesters ist es kein weiter Sprung zum Theater. „Wir sind Schauspieler unserer selbst, und immer nur in der Beschreibung der Rolle offenbart sich das Ich. Weil es vielleicht keine Wesentlichkeit hinter der Rolle gibt, sondern die Rolle selbst das Wesentliche ist.“ Das Leben ein (Rollen-)Spiel.

Um diesen Zweifel am Ich noch etwas präziser und näher an der Empirie der Gehirnforschung zu fassen, kam Rüsenberg wieder auf den Mainzer Philosophen Thomas Metzinger zurück. Der kommt zu dem Schluss, dass wir „während zwei Dritteln unseres bewußten Lebens keine autonomen geistigen Subjekte sind”. Das „bewußte Denken“ erscheint ihm im Normalfall eher als “eine unabsichtliche Form des inneren Verhaltens, kein echtes geistiges Handeln.“ Metzinger beschreibt den beschränkten Realitätstüchtigkeit des Bewußtseins als einen Tunnel: “Was wir sehen und hören oder ertasten oder erfühlen, was wir riechen und schmecken, ist nur ein kleiner Bruchteil dessen, was tatsächlich in der Außenwelt existiert…. Der kontinuierlich ablaufende Vorgang des bewussten Erlebens ist weniger ein Abbild der Wirklichkeit als vielmehr ein Tunnel durch die Wirklichkeit.”

Harry Lachners Referat „Ich. Schon wieder ein anderer?“ über die Problematik von Identität und Fake in der Kultur, wies an einer großen Zahl von Beispielen nach, wie sehr der „Fake“ als ästhetische Strategie in anderen Kunstsphären verankert ist. Im Film, in der Literatur, in der Archäologie, der Bildenden Kunst und ganz besonders im Pop, spielen viele Künstler mit den Unschärfen der Vorstellung von Identität, arbeiten maskiert oder camoufliert oder aus der Deckung einer fiktiven Identität heraus, die ihren Arbeiten mit Glaubwürdigkeit anreichern, bis sie die Maske lüften und mit dem „Fake“ das Konzept von authentischer Identität ad absurdum führen. Im Sinne von Metzingers Seil-Metapher handelte es sich dabei um wesensfremde Fäden, die mit Absicht heimlich in dieses Seil eingewoben werden. Im Gegensatz zur „Fälschung“, die darauf angelegt ist, auf keinen Fall als solche erkannt zu werden, stammt „Fake“ als ästhetische Strategie aus einem semantischen Feld zwischen Fälschung, künstlicher Identität, Pseudonym, Vortäuschung, Verschleierung, Nachempfindung, Schwindel, Falsifikat, verweist implizit auf ihren fiktionalen, spielerischen Charakter und richtet sich gegen die Idee des Authentischen und den Begriff des Autors. Der Fake thematisiert die Mechanismen, wie Identität in einer Medienwirklichkeit konstruiert und dargestellt wird. Daran schließen aktuelle soziologische  Theorien an, die Identität als ein Wechselspiel von Innen und Außen von Selbst- und Fremdwahrnehmung fassen, „als ein Konstrukt, das sich aus der sozialen Situation des Einzelnen heraus konturiert – und das variabel, eben ‚konturierbar’ ist“. Ein Rollenspiel auch hier, in dem Bilder, Symbole und Ideen, Lebensstile und Identitätsschablonen ausgetauscht werden. Besonders in der Popkultur, wo die Medien das Rohmaterial liefern, die Schablonen und Identitätsangebote hat dieser konstruktive Umgang mit Identität, mit Wahlbiographien, persönlichem Existenz-Design, das Bild vom Planungsbüro seiner selbst großen Zulauf. Im Jazz dagegen, der, so Lachner, trete der Musiker zumeist als Person in Erscheinung, was der Nutzung des Fake, der „fast ausschließlich auf der Ebene der medialen Vermittlung abspielt“, als Methode erheblich erschweren würde. Dennoch, das wurde in der anschließenden Diskussion kurz angerissen, gab es in den 1980er Jahren eine Phase des Jazz, in der Musiker wie die Lounge Lizards, James White, etc. durchaus im Sinne eines „Fake“ mit den Images und Identitätsschablonen, die in der Populärkultur unter dem Etikett Jazz kursieren, spielten und musikalisch einen Stil schufen, der Versatzstücke verschiedener Jazzstile und artfremder Stile kreuzte und explizit Fake Jazz genannt wurde.

„Jazz or not Jazz“, Wolfram Knauers Referat über den Vorstoß des aus New Orleans stammenden afroamerikanischen Trompeters, den Begriff „Jazz“ als semantisch verseucht, diskriminierend, als ein Wort mit Ausbeutungsgeschichte links liegen zu lassen und durch den Neologismus BAM (wie Black American Music) zu ersetzen reflektierte nun einen Ansatz, der strikt identitäres Denken (black, american) mit pragmatischen Gründen (die Vokabel Jazz definiert klare Grenzen für das, was man unter dieser Überschrift spielen und verkaufen darf und kann) verbindet. Paytons Vorstoß, so Knauer, ist nicht neu, spätestens seit Duke Ellington gab es immer wieder afroamerikanische Musiker, die es ablehnten, dass ihre Musik mit diesem Begriff bezeichnet wird. Dabei arbeitete Knauer drei Argumentationen heraus: Die einen lehnen den Begriff Jazz ab, weil er von Weißen erfunden und rassistisch konnotiert sei. Für eine zweite Argumentationslinie ist zwischen New Orleans Jazz und dem europäischen Free Jazz die stilistische Breite dessen, was mit Jazz zu bezeichnen ist, so groß, sind seine Grenzen so verschwommen, dass der Begriff keine Unterscheidungskraft mehr hat. Das dritte Argument zielt exakt in die Gegenrichtung: für manche Musiker ist Jazz ein Begriff, der sie einengt und in eine bestimmte stilistische Richtung drängt. All diese Argumente haben nach Knauer eine Menge für sich, und dennoch plädiert er dafür, nicht auf den Begriff zu verzichten, sondern auf einer Unterscheidung zwischen seiner Verwendung als Nomen, das beispielsweise Stile beschreiben kann oder als Verb, die schon Jelly Roll Morton, der in seiner Autobiographie behauptet, den Begriff als erster verwandt zu haben,  anregt. „Jazz, schreibt Morton hier, sei „the operator“, a „kind of ability“, also eine Fähigkeit.“ In dieser Idee, dass der „Jazz“ vor allem ein musikalischer Ansatz ist, weniger ein Genre sieht Knauer einen Ansatz, wie man die verschiedenen Kritikpunkte an der Verwendung des Begriffes entkräften könnte: Wenn er die Haltung beschreibt, die Aktion des Musikers, den Akt der Überschreitung der vorgefundenen Grenzen, der ständigen Neudefinition dessen, was mit Jazz gemeint ist, dann ist der Begriff Jazz mit seinem Schweif an mitgeschleppten Konnotationen nach wie vor ein präziser und brauchbarer Begriff.

Arne Schumachers Gespräch mit den Gitarristen Jean-Paul-Bourelly fundierte nach all diesen begriffsschweren Referatsbrocken wie eine Illustration von Thomas Metzingers Seilmetapher. Bourelly, geboren in Chicago, als Sohn eines aus Haiti stammenden Vaters und einer Mutter, die im Zuge der Great Migration aus den Südstaaten in die schwarze South Side gekommen war, waren schon verschieden gefärbte Fäden in seinem Erbgut angelegt. Später hatte er in der „am stärksten segregierten Stadt im Norden der U.S.A“ durchaus auch weiße Freunde, die er allerdings als „kulturell schwarz“ ansieht, eine Frage des Respekts seiner Person, seiner Herkunft und seiner sozialen Stellung gegenüber. Als Gitarrist beschäftigte sich Bourelly mit Rock und der Musik von Jimi Hendrix, mit Jazz und der Musik von Miles Davis. An verschiedenen Punkten seiner musikalischen Biographie machte er die Erfahrung, wie musikalische Sounds und Farben, die sehr direkt mit den verschiedenen Fäden seiner Identität verknüpft sind, in seinem Spiel plötzlich ganz klar und selbstverständlich an die Oberfläche drängten: der Blues, haitianische Rhythmen, angezerrte Rocksounds, solche Dinge. Mit zunehmender Professionalität, probierte er auch bewusst verschiedene Formen aus, Songformen aus dem Pop, die Bourelly mit den komplexen Harmonien des Jazz aufraute: allerdings beharrte er bei alle dem auf dem Primat des ausdrucksstarken Solo. Gleichzeitig interessiert er sich als in der South Side aufgewachsener Musiker immer ganz besonders dafür, wie er die Verbindung zwischen seiner Musik und der Jugend auf der Straße aufrecht erhalten kann, und dazu ist es notwendig, stilistische Grenzen immer wieder zu überschreiten. „Ich bin ein Produkt all dieser Prozesse, und wenn sich das nicht in meiner Musik widerspiegelt, dann habe ich meine Arbeit nicht getan.“ Konsequenterweise verweist Bourelly ähnlich wie zuvor Wolfram Knauer auf die fundamentale Perspektivenverschiebung, wenn man das Konzept Jazz nicht als Produkt, also stilistisch definiert und abgegrenzt, sondern als Prozess seiner stetigen Um- und Neudefinition auffasst. Seit etwa zehn Jahren lebt Bourelly in Berlin, einer Stadt, deren musikalische Atmosphäre er persönlich als  sehr offen erlebt. Nachdem er zunächst über das deutsche Wortkonzept „Ausländer“ gestolpert war, das eine gleichmacherische Form von Rassismus/Ausländerfeindlichkeit ausdrückt, die er so unspezifisch sonst nirgendwo wahrgenommen hatte, schafft diese Gleichmacherei auch Freiräume. „Rassismus ist hier anders, globaler“, fasst er die Erfahrung in Berlin zusammen, die ihn auch musikalisch auf neues Terrain führt, denn „du kannst sehr einfach mit anderen Ausländern Kontakt aufnehmen“.

Günter Huesmann beschäftigte sich in seinem Referat „Ich bin viele“ mit John Zorn und der Identität  der Radical Jewish Culture. Der bis dato als in religiösen Fragen unbeleckt geltende Zorn, Kind säkularer Juden, in dessen Vorleben Religion keine erkennbare Rolle spielte, hatte beim Münchner Klaviersommer 1992 eine Gruppe von Musikern mit jüdischen Vorfahren um sich geschart, ein im wörtlichen Sinne schmerzhaftes Konzert zum Thema „Kristallnacht“ gegeben und in einem gemeinsam mit dem Gitarristen Mark Ribot (der sich längst wieder von dem Konzept verabschiedet hat und die Schranken ablehnt, die ein solches identitäres Musikprogramm seinem Schaffen auferlegen würde) verfassten Manifest eine New Radical Jewish Culture proklamiert. Zorn untermauerte diese Hinwendung zum Jüdischen, indem er eine Band gründete, Masada, die auf der Basis von jüdisch konnotierten Tonleitern Klangvorstellungen umsetzte, die stark an diejenigen des frühen Quartetts von Ornette Coleman erinnerten. Gleichzeitig begründete er auf seinem Plattenlabel Tzadik eine mittlerweile Hunderte von Veröffentlichungen zählende Reihe, auf der er Musik von anderen Musikern, die er selbst der Radical Jewish Culture zurechnet, veröffentlichte. Damit warf er Fragen auf und rief vehementen Widerspruch hervor. Schon die Frage „Was ist jüdische Musik heute“, muss sie wie Masada bzw. die Hunderte von Kompositionsskizzen, die Zorn in seinen Masada Songbooks aufschrieb, um sie von anderen Musikern spielen zu lassen, auf Schlüsselreize wie die jüdisch konnotieerten Tonleitern bauen, oder muss sie das nicht? Zorn selbst gibt da weder eine klare Antwort noch ist aus dem Tzadik-Programm eine musikästhetische Leitlinie abzulesen. Die Aufnahmen, die er unter dem Etikett der Radical New Jewish Culture veröffentlicht, bewegen sich so frei und divers zwischen den Polen Neuer komponierter Musik, freier und multistilistisch gebundener Improvisation, vokal und instrumental, wie die Musik, für die sein Name sonst steht. Allerdings behält er sich bei der Auftragsvergabe an die befreundeten Musiker das Recht vor, fertige Aufnahmen abzulehnen, weil ere sie selbst als „nicht jüdisch genug“ empfindet. Eine Sache von feeling, von sensibility und darin wiederum der Frage sehr nahe, die sich schon im Umgang mit dem Begriff Jazz auftut. Die neue jüdische Musik ist in diesem Sinne weniger als ein Klang zu fassen, denn als das Produkt eines Prozesses, in den verschiedene Merkmale der Erfahrung des Jüdischseins einfließen: die Erfahrung einer grundsätzlichen Fremdheit, Suche, Gefährdung.

Klarer sind die Grenzen zu benennen, die Bert Noglik in seinem Referat „Allianz der Missverständnisse“ am Wandel der Identitäten von Jazzmusikern aus dem geteilten Deutschland nachzeichnet. Da sind einmal die Musiker, die sehr direkt abhängig waren von den unterschiedlichen Konjunkturen, die das Ansehen des Jazz bei der DDR-Führung durchlebte. Hatten Musiker wie der Saxofonist Ernst-Ludwig Petrowski ihre Musik in den Kinderjahren der DDR noch als Tanzmusik tarnen müssen, weil Jazz als eine Musik des Klassenfeindes schlecht angesehen war, konnten Musiker wie Albert Mangelsdorff im Westen schon recht bald mit öffentlicher Unterstützung rechnen, wenn sie die Musik des stärksten Verbündeten spielten. Dennoch zogen beide, Musiker im Osten wie im Westen damit zu tun, durchaus auch ihren Nektar daraus, dass das breite Publikum in beiden Staaten keinerlei Verständnis für ihr Tun hatte. Später als der Jazz sich immer stärker in Richtung Free Jazz entwickelte und im Westen von der aufstrebenden Popmusik an den Rand des Publikumsinteresse gedrängt war, profitierten die Jazzmusiker im Osten davon, dass diese Konkurrenz fern war, wenn der Free Jazz in der DDR, so Noglik, nicht populärer war als im Westen, so traf er doch auf ein Publikum, dass unabhängige musikalische Ausdrucksformen herbeisehnte und war damit publikumswirksamer. Jazz konnte mit dem Gestus von Popmusik präsentiert werden, und über kurz oder lang entwickelte sich ein subliminales Einverständnis zwischen Publikum und Musikern, die Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen wurde zu einer Schlüsselqualifikation. Gleichzeitig genossen Musiker aus der DDR eine soziale Absicherung, wie sie die Kollegen im Westen niemals kannten.

In seinen „Sozialgeschichtlichen Reflexionen zum Selbstverständnis von Jazzmusikern“ zum Abschluss verwies schließlich Ekkehard Jost in einem Galopp durch die Jazzgeschichte noch einmal darauf, wie direkt die soziale Lage die Selbstwahrnehmung von Jazzmusikern prägt und die ästhetischen Wege vorgibt, die sie beschreiten (können). Besonderes Interesse schenkte Jost dabei dem Topos des „romantischen Außenseiters“, der in den 1920 im Umfeld der Chicagoans, einer Gruppe von weißen Jazzenthusiasten, die selbst zu stilbildenden Musikern wurden, entstand und noch heute das Selbstbild von vielen Jazzstudenten prägt. Dieses Selbstbild mag auf einem oberflächlicheren Level gespeichert sein als das Seil mit den verschiedenfarbigen Fäden, aber wer will kann es – vielleicht auch als unbewussten „Fake“ – als einen weiteren farbigen Faden in dem Seil der Jazzgeschichte wahrnehmen.

Text: Stefan Hentz