Neue Künstlerische Geschäftsführung im Stadtgarten Köln

Pressemitteilung, Köln 28. Juni 2022


Neue Künstlerische Geschäftsführung im Stadtgarten Köln


Reiner Michalke übergibt an Kornelia Vossebein

Eine Ära geht zu Ende: 44 Jahre nach Gründung der Initiative Kölner Jazz Haus (IKJH) und nach 36 Jahren als verantwortlicher Kurator des Konzertprogramms im Stadtgarten Köln, dem „Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik“, übergibt Reiner Michalke den Staffelstab an seine Nachfolgerin Kornelia Vossebein, die ab dem 1. Juli die Künstlerische Geschäftsführung dieser international renommierten Spielstätte übernehmen wird.
1978 gründete der studierte Volkswirt und Bassist Reiner Michalke mit weiteren Kölner Musiker:innen die IKJH. Ziel war es, mit dem Stadtgarten eine Spielstätte für die kreative Kölner Jazzszene zu bekommen, die bis dato im Kulturleben der Stadt so gut wie nicht berücksichtigt wurde. Nach einem fünf Jahre dauernden, kulturpolitischen Kampf bekam die IKJH 1983 den Zuschlag für den Stadtgarten.
In der Folge konnte dank finanzieller Unterstützung des Landes NRW am 4. September 1986 der Konzertsaal eröffnet werden – mit Reiner Michalke als Künstlerischem Leiter.
Mittlerweile finden auf dessen drei Bühnen jährlich rund 400 Konzerte statt. 2017 wurde der Stadtgarten vom Land NRW und der Stadt Köln zum „Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik“ aufgewertet und erhält seitdem eine gesicherte Förderung Reiner Michalke war stets mehr als nur ein Konzertveranstalter. Von Anfang an war es ihm wichtig, mit anderen Formen der Präsentation zeitgenössischer Musik zu experimentieren. Das zeigte sich bereits bei den Jazz Haus Festivals ab 1978, mit denen das Potenzial der Kölner Szene auf die Bühne gebracht wurde. Das zeigte sich auch mit
Festivals wie beispielsweise „Post This & Neo That“, das er zwischen 1989 und 1996 gemeinsam mit Matthias von Welck in der Kölner Philharmonie realisierte, oder der Musiktriennale Köln, deren Jazzprogramm Michalke von 1993 bis 2007 in Kooperation mit der Kölner Philharmonie kuratierte. Von 2006 bis 2016 war er Künstlerischer Leiter des Moers Festival, seit 2018 ist er Intendant der Monheim
Triennale. Michalke war Gründungsmitglied sowohl des „Europe Jazz Network“ als auch der Bundeskonferenz Jazz“, mit denen er oftmals wichtige kulturpolitische Initiativen auf den Weg brachte. Ebenfalls auf seine Initiative zurück geht der Spielstättenprogrammpreis „Applaus“ des Bundes, die Gründungen von Off-Cologne (Verband Mittelständischer Kulturwirtschafts-Betriebe e.V.), des Kulturnetz Köln und der Kölner Jazzkonferenz. Zudem ist Michalke Mitglied im Musikbeirat des Goethe-Instituts.
„Zum 1. Juli 2022 verabschiedet sich Reiner Michalke aus der Künstlerischen Leitung des Kölner Stadtgartens“, so Ulla Oster, Vorstandsvorsitzende der IKJH. „Unerschrocken, beharrlich, abenteuerlustig und visionär hat er dem Jazz und der aktuellen, improvisierten Musik Türen geöffnet; er hat neue Wege gesucht, gezeigt und geebnet, und damit wird er vermutlich auch in den nächsten Jahren nicht aufhören.
Wir sind froh, dass wir in Kornelia Vossebein die richtige Nachfolgerin für Reiner Michalke gefunden haben. Mit ihrer Kompetenz, Erfahrung, Leidenschaft und Offenheit wird sie das Schiff Stadtgarten tatkräftig weitersteuern.“
Die studierte Literatur- und Sprachwissenschaftlerin Kornelia Vossebein war ab 2001 als Geschäftsführerin für das Konzertprogramm im Bunker Ulmenwall in Bielefeld verantwortlich und arbeitete in der Zeit schon eng mit dem Stadtgarten Köln zusammen – wie zum Beispiel in der „Gemeinschaft unabhängiger Spielstätten“. 2009 wechselte sie als Geschäftsführerin zur Zeche Carl in Essen, bevor sie 2020 die Leitung von „NICA artist developement“ übernahm, dem Exzellenz-Förderprogramm des Landes NRW für
Jazz und aktuelle Musik, das vom Stadtgarten organisiert und durchgeführt wird. Vossebein ist Mitglied der Lenkungsgruppe des Spielstättenprogrammpreises „Applaus“ des Bundes und Sprecherin der „Bundeskonferenz Jazz“. Als Künstlerische Geschäftsführerin will Vossebein das Kurator:innen-System verstärken, um den Stadtgarten noch mehr als Ort für ungewöhnliche Musikproduktionen zu etablieren. Einen weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht sie in der Intensivierung der internationalen Vernetzung des Stadtgarten Köln.


Weitere Informationen finden Sie hier.


Ansprechpartnerin und Kontakt
Jennifer Lauri
Leitung Kommunikation & Presse
Stadtgarten Köln
T: +49 (0)221 – 952994-34
Jennifer.lauri@stadtgarten.de
www.stadtgarten.de

Jazz Re:Search in 21st-Century Academia and Beyond

Dear presenters,

We are very pleased to announce that our conference “Jazz Re:Search in 21st-Century Academia and Beyond” will take place as a live conference from June 9 to 12 2022 – a very warm welcome to everyone who will join us in Graz! Here is the revised schedule.

We would like to remind you that conference registration is now open. If you have not already registered, we kindly ask you to do so following this link: https://www.aanmelder.nl/128370/admin/registrationform

After more than two years of the pandemic, we are determined to host a face-to-face conference – with the aim of “bringing researchers together”, to quote the Rhythm Changes motto. Nevertheless, the pandemic has not (yet) vanished, so we plan to stream parts of the conference (including both keynotes as well as selected sessions) via Zoom for participants unable to attend due to health issues. Currently, we are working on technical solutions to enable interaction between presenters and audiences on-site and online. More information about online modalities will follow, also concerning the registration to a reduced fee.

Furthermore, we can inform you that most COVID regulations are suspended in Austria. There are no restrictions for bars and restaurants in Graz, at KUG wearing a face mask is recommended. In due time, you will receive an update concerning the current regulations.

We are very looking forward to meeting you all in June!

With warm regards

Benjamin Burkhart and Philipp Schmickl (on behalf of the conference organizing team)

Schaffhauser Jazzfestival 11.-15. Mai 2022 – Einladung (streaming)

New Way of Streaming! Unser Statement.

Wir haben wieder einen Livestream eingerichtet und streamen alle Konzerte und Interviews und Magazinformate wie auch die Jazzgespräche in HD Qualität.. Der Livestream der Konzerte haben wir neu hinter eine Paywall gestellt und können dank der Unterstützung von Bund und Kanton plus dem Migros Kulturprozent den Musiker*innen 85% der Einnahmen weitergeben. Also vom Konzert was CHF 10.- kostet bekommt die Band CHF 8.50 vom ersten Stream an. So, denken wir, sollte der Stream für Jazz und nicht kommerziellen Mainstream funktionieren. Wir wollen einen ersten Schritt machen das die Musiker*innen auch etwas bekommen für ihr Streamkonzert und dass die Zuschauer*innen ersten merken dass der Stream wie das richtige Konzertticket etwas kostet und zweitens damit nicht eine «Billigplattform» zuerst all ihre Kosten plus die Aktionäre bedient, bevor die Musiker*innen nach x Millionen Clicks etwas abbekommen.

Here you go:

All info’s off the Festival is attached in the program booklet (in german) and here www.jazzfestival.ch .

The program:

Mittwoch 11.5.

20.15 Uhr Obradovic – Tixier Duo (www.ladaobradovic.com)
Lada Obradovic dr, pc, voc, comp, David Tixier p, keyb, comp
Das «Obradovic-Tixier Duo» ist eine Zusammenarbeit zwischen der Kroatischen Schlagzeugerin Lada Obradovic und dem Französischen Pianisten David Tixier. Polyrhythmische Schichten, verflochten mit anspruchsvollen Harmonien und gerissenen Polymetrien, dienen als Quelle für die Überlieferung der von Emotionen und Eleganz geleiteten Musik. In Bern ausgebildet, ist Lada auf den europäischen Festivalbühnen sowie auch als Schlagzeugerin und Schauspielerin in der Netflix Serie «The Eddy» zu sehen. 

21.30 Uhr Niklaus Troxler / Manuel Troller (www.troxlerart.ch, www.manueltroller.com)
Niklaus Troxler Tape Performance, Manuel Troller g

Im künstlerischem Austausch mit dem Luzerner Gitarristen und Schweizer Musikpreisträger Manuel Troller, lässt Troxler am Eröffnungsabend eines seiner Tape-Bilder live vor den Augen des Publikums entstehen.

22.15 Uhr Nils Wogram Muse (www.nilswogram.com

Nils Wogram tb, Kathrin Pechlof hp, Gareth Lubbe vla, vl, Obertongesang, Hayden Chisholm as,

Ganz oder gar nicht! Keine halben Sachen! Wo sich im Lauf ihrer Karriere bei vielen anderen Künstlern Routineabnutzungen bemerkbar machen, reift in Nils Wogram die Erkenntnis, dass jedes neue Projekt zugleich sein erstes Projekt ist. Ganz besonders spürbar ist das mit seiner neuen Band «Muse». Die Musik mag komplex sein, doch ist ihre immanente Schönheit und Freundlichkeit bei aller formalen Strenge auch für die Zuhörenden enorm entspannend. Klang ist die entscheidende Komponente, jeder Ton zählt. 

Donnerstag 12.5 

20.15 Uhr Humair/Blaser/Känzig (www.samuelblaser.com)
Samuel Blaser tb, Daniel Humair dr, Heiri Känzig b

Drei Generationen von Schweizer Spitzenjazzern aus drei verschiedenen Landesteilen; Blasers kräftiger Ton und seine weit ausschweifenden Improvisationen werden umrahmt vom organischen Tumult des ineinandergreifenden Rhythmus von Känzig und Humair. Zwischen Atem, Saiten und Sticks, Slides, Holz und Fellen entsteht eine Alchemie, die durch Inspiration und Kreativität den Klang in Momente purer Poesie verwandelt. 

21.15 Uhr Florian Favre «Idantitâ» (www.florianfavre.com)
Florian Favre p

Mit Idantitâ lässt Florian Favre die traditionelle Musik seiner Heimat, der Region Freiburg, neu aufleben. Es sind Geschichten von Elfen, Bergen, Exil, naiver Schönheit, Geschichten über ein schönes Land und einer kollektiven Vorstellung davon. Favre lässt daraus stimmungsvolle, lyrisch bis kraftvolle Klavier-Musik entstehen, die in ihrer unaufdringlichen Schönheit charakteristisch ist für den Freiburger Pianisten. 

22.00 Uhr Gauthier Toux «For a Word» (www.gauthiertoux.com)

Gauthier Toux p, Valentin Liechti dr, Julien Herné b, Léa Maria Fries voc

Gauthier Toux huldigt in seinem abenteuerlichen neuen Quartett «For A Word» der Macht des Wortes. Die Formation, anlässlich einer Carte Blanche am Cully Jazzfestival 2017 gegründet, ziseliert Melodien ebenso wie die Stille und behandelt die Stimme wie ein Instrument. Die Band bietet Jazz-Eskapaden, Pop-Höhenflüge und Klangnebel. Atemberaubend und brillant. 

Freitag 13.5 

20.15 Uhr Andrina Bollinger Trio (www.andrinabollinger.com)

Andrina Bollinger voc, p, g, Jules Martinet b, Arthur Hnatek dr

Andrina Bollinger steht für immer wieder überraschende Bühnenperformances: Mal tritt sie als Schloss auf, dann als Turrells Skyspace, oder sie gibt sich als innerer Ozean zu erkennen. Alle diese Räume erforscht und bespielt Bollinger mit ihrer Stimme – sie schreit, summt, spricht, schnauft darin. Bisher vor allem Solo und in verschiedenen Duo-Konstellationen zu sehen, präsentiert Andrina Bollinger ihr neues Trio mit Arthur Hnatek am Schlagzeug und Jules Martinet am Bass.  

21.15 Uhr This is Pan (www.thisispan.com)

Matthias Kohler as, comp, Lukas Thoeni tp, Dave Gisler g, André Pousaz b, Gregor Hilbe dr

«This Is Pan» präsentiert sich mit geballten Pferdestärken, viel Verve und einem druckvollen, unverkennbaren Bandsound. Das neue Programm «Animal Heart» widmet sich ganz und gar den Lieblingstieren von Bandleader und Saxofonist Matthias Kohler – im Kern geht es aber um Empathie und Menschlichkeit. Detaillierte, der Song-Form verpflichtete Kompositionen und starke Solos zeichnen die Band aus.  

22.15 Uhr LIUN + THE SCIENCE FICTION ORCHESTRA (www.luciacadotsch.com)

Lucia Cadotsch voc, Wanja Slavin fl, cl, sax, synth, Magnus Schriefl tp, Kati Brien fl, cl, as, Florian Trübsbach fl, cl, ts, Johannes Lauer tb, Shannon Barnet tb, Mark Pringle p, Matthias Pichler b, Fabian Rösch dr

Gemeinsam mit dem Berliner Saxofonisten und Komponisten Wanja Slavin schlägt Lucia Cadotsch ein ganz neues Soundkapitel auf: Urbane Musik mit dunklen Beats, schillernden Synths und pulsierenden Hooklines. Der Sound von LIUN + The Science Fiction Orchestra ist so eigensinnig und betörend, wie nur die Zukunft klingen kann. LIUN kreiert eine phantasmagorische Welt, eine Synthese aus digitalen und analogen Elementen, und – im Zusammenschluss mit dem Ensemble – eine Welt, die hineinführt in ungeahnte, noch nie gehörte Klang-Dimensionen. 

Samstag 14.5.
20.15 Uhr Leipold / Bucher / Lo Bianco (www.samuelleipold.com)
Samuel Leipold g, Jürg Bucher cl, Luca Lo Bianco b

Mit dem sizilianischen Kontrabassisten Luca Lo Bianco, dem Berner Jürg Bucher an der Klarinette und dem Luzerner Gitarristen Samuel Leipold treffen sich drei Musiker mit musikalischem Tiefgang. Sie kreieren kammermusikalische Musik, in der die verschiedenen Schattierungen in den Klangfarben der Instrumente ausgelotet werden. Leipolds songhafte bis abstrakte Kompositionen werden in den grösseren musikalischen Bogen eingebunden und dienen als Start oder Endpunkt für gemeinsame Improvisationen. 

21.15 Uhr Sarah Chaksad Large Ensemble (www.sarahchaksad.com)

Yumi Ito voc, Sarah Chaksad as, ss, comp, Fabian Willmann ts, bcl, Catherine Delaunay cl, bs, thn, Fernando Brox fl, Hildegunn Øiseth tp, goat hn, Lukas Wyss tb, Paco Andreo vtb, Sophia Nidecker tub, Fabio Gouvêa g, Julia Hülsmann p, Dominique Girod b, Eva Klesse dr

Sarah Chaksad überrascht mit Kompositionen für eine neue, 13-köpfige Band: Ihr hellwaches Large Ensemble hat sich die Saxofonistin und Komponistin sorgfältig mit erlesenen deutschen, französischen und Schweizer Musikerinnen und Musikern, einer Norwegerin und einem Brasilianer zusammengestellt. Das Resultat unterscheidet sich, auch wenn die Handschrift der Komponistin gut hörbar bleibt, von früheren Projekten. Sarah schafft mit ihrem Large Ensemble einen Reichtum an Farben und Stimmungen wie noch nie. Die Musik ist offener und riskanter, ohne je an Fluss und Drive oder Intensität zu verlieren. 

22.15 Uhr District Five (www.districtfive.band)

Tapiwa Svosve as, synth, voc, Vojko Huter g, voc, Xaver Rüegg b, Paul Amereller dr

District Five durchbrechen die Grenzen der Generationen. Math-Rock, Post-Punk, Jazz, Electronica, Filmmusik: So lauten die Eckpfeiler eines neuen Sounds, mit dem die vier Zürcher Vordenker festgesessene Stilbegriffe endgültig verlassen und ihre eigene Avantgarde zu bilden beginnen. Diese Musik heisst nicht mehr Jazz, bedeutet aber auch nicht Pop. Nein, vielmehr ist es ein Prozess vom Finden neuer Freiheiten und setzt zugleich ein Zeichen ungemeiner Diversität sowie langjähriger Freundschaft. Oder in den Worten der Band: «Searching together through music for something like freedom in a trapped world».

42. RJR Arbeitstagung in Graz | Sozialgeschichte im Jazz – In Erinnerung an den Musiker und Musikwissenschaftler Ekkehard Jost (1938-2017)

Graz, 09. – 11. Juni 2022

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Jazzforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz.
Moderation: Michael Rüsenberg

Für die 42. RJR-Tagung: Sozialgeschichte im Jazz – In Erinnerung an den Musiker und Musikwissenschaftler Ekkehard Jost (1938-2017) hat unser Kollege Constantin Sieg das beigefügte Interview bereitgestellt. Dieses Jost-Interview fand am 14.08.2011 (22-24.00 Uhr) in der wöchentlichen Sendung „Jazz-Zeit“ statt.

https://drive.google.com/file/d/1Mjf119s0E_fCtqHdumj-kjnGwlUbyWH6/view?usp=sharing

Als in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die Fundamente für Jazzforschung auch im deutschsprachigen Raum gelegt wurden, kam ein Grundstein in Graz, wo 1965 eines der ersten Institute in diesem Fach gegründet wurde, zu liegen und ein zweiter in Gießen, wo Ekkehard Jost (1938-2017) im Jahr 1973 zum Professor berufen wurde. Jost hatte im gleichen Jahr mit seiner Habilitationsschrift, der weltweit ersten musikwissenschaftlichen Untersuchung des „Free Jazz“, die bis dato vorherrschende musikwissenschaftliche Analyse durch sozialgeschichtliche Argumente erweitert und mit seinem Werkzeugkasten, in dem soziologische und historische Blickwinkel ebenso selbstverständlich enthalten waren wie psychologische oder physikalische, einem neuen, interdisziplinär geprägten Konzept der Musikwissenschaft jenseits des klassischen Kanons zum Durchbruch verholfen.

Bei allem Fortschritt, bei aller thematischen und methodischen Ausdifferenzierung, die das Fachgebiet Jazzforschung seither begleitet, ist Jost dem Institut seiner Grazer Kollegen bis an sein Lebensende verbunden geblieben, so verbunden, dass er bestimmte, dass sein musikwissenschaftlicher Nachlass an der Kunstuniversität Graz aufbereitet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Die Feier zur offiziellen Eröffnung des Archivs ist der formale Höhepunkt der 42. Arbeitstagung des Netzwerks „Radio Jazz Research“ zum Thema „Sozialgeschichte im Jazz. In Erinnerung an den Musiker und Musikwissenschaftler Ekkehard Jost“. Zusammen mit dem Fachbereich Jazzforschung an der Kunstuniversität Graz hat Radio Jazz Research ein Tagungsprogramm zusammengestellt, das die Feier zur Archiv-Eröffnung aus unterschiedlichen Perspektiven ins Visier nimmt. Im Zentrum die kämpferische Wissenschaftler- und Musiker-Persönlichkeit Ekkehard Jost und die Musik, die er zu seiner machte: der Free Jazz. Eher persönlich geprägt ist der Ausgangspunkt des Vortrags des Gießener Journalisten Hans-Jürgen Linke, der zum Auftakt die Wirkungsmacht von Josts Schaffen in Sachen Musik, Forschung und Kulturpolitik in Gießen nachsinnt, während André Döhring, ein früherer Student und Mitarbeiter von Jost in Gießen, der heute den Fachbereich Jazzforschung an der Kunstuniversität Graz leitet, bei seiner Analyse die Wirkmacht der Forscherpersönlichkeit Jost fokussiert. Aus philosophischer Perspektive diskutiert der Turiner Professor Alessandro Bertinetto den Begriff der ästhetischen Freiheit, den Jost in seiner Habilitationsschrift „Free Jazz“ mitentwickelt, Gerd Putschögl wendet Josts sozialhistorischen Blick auf aktuelle Tendenzen der Verbindung von Jazz und Flamenco an, Bernd Hoffmann richtet seinen Blick darauf, wie in den 1950-Jahren in außermusikalischen, journalistischen, musiktheoretischen oder fiktionalen Beiträgen zum Jazz-Diskurs in Text, Hörfunk oder Film anhand der Gegenüberstellung von Unterhaltungsfunktion und Kunstanspruch Mythologisierungen vollzogen werden. Klaus Frieler zeigt mit seinen Analysen neue Perspektiven der Jazzforschung auf.


42. Radio Jazz Research-Tagung in Graz
Sozialgeschichte im Jazz – In Erinnerung an den Musiker und Musikwissenschaftler Ekkehard Jost.

GRAZ, 9.-11. Juni 2022

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Jazzforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
Moderation: Michael Rüsenberg

Hans-Jürgen Linke (Gießen)
Ekkus: Regionale Szene, internationaler Ruf: Ekkehard Jost in Gießen

André Doehring (Graz)
(Bei) Jost studieren: Von der Person über die Institutionen zur Fachgeschichte

Alessandro Bertinetto (Turin)
Free Jazz: Eine konkrete Form ästhetischer Freiheit

Gerhard Putschögl (Bad Rappenau)
Ekkehard Jost und die „Spanische Kultur“

Bernd Hoffmann (Köln)
Satchmo Ost – Satchmo West. Louis Armstrong, Begegnungen in deutschen Wochenschauen der 1950er und 1960er Jahre

Klaus Frieler (Frankfurt)
Jazz und Big Data: Was können uns Korpusstudien über den Jazz erzählen?

ÄNDERUNGEN VORBEHALTEN

Hans-Jürgen Linke (Gießen):

Ekkus
Regionale Szene, internationaler Ruf: Ekkehard Jost in Gießen

Die erste und für lange Zeit einzige Free Jazz Formation im Mittelhessischen hieß Grumpff und wurde gegründet von Ekkehard Jost. Das geschah kurz nach Antritt seiner Musiksoziologie-Professur an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Ekkehard Jost hat die Stadt Gießen nie besonders gemocht und gehörte zu den Unruhegeistern am Institut, an das er über Jahrzehnte eine bestimmte Art von Musikern lockte. Als Lehrender, als Musiker und Publizist, als monothematisch agierender lokaler Kulturpolitiker, Mitbegründer der Jazzinitiative Gießen und der Jazzakademie Hessen und als privater Mensch war er in der Stadt und an der Universität der wohl zugkräftigste Kristallisationskern der regionalen Jazz-Szene. Immer wieder hat er mit seinen Studenten Bands gegründet. In den neunziger Jahren begann er sich in kleinen Schritten aus der lokalen Szene zurückzuziehen, hatte eine feste Bands fast ohne Gießener Musiker und markierte seine Ambitionen als Jazz-Komponist unter anderem mit zwei auch politisch grundierten größeren Projekten.

André Doehring (Graz): (Bei) Jost studieren. Von der Person über die Institutionen- zur Fachgeschichte

Der Vortrag „(Bei) Jost studieren.“ hat zwei Erkenntnisziele: Zum einen wird der Teil „Bei Jost studieren“, basierend auf eigener Erfahrung und objektiviert durch eine Curriculumsanalyse Gießener Studienordnungen, untersuchen, wie sich Sozialgeschichte bei Ekkehard Jost als Forschungs-, aber auch Lehrhaltung niederschlug. Zum anderen wird der Teil „Jost studieren“, basierend auf ersten Sichtungen des in Graz angesiedelten Jost-Archivs, die Josts Eingebundensein in strukturelle, musikalische und musikpolitische Zusammenhänge des Jazz zeigen, Möglichkeiten der künftigen fachgeschichtlichen Erforschung deutschsprachiger Jazzforschung erörtern.

Alessandro Bertinetto (Turin):
Free Jazz: Eine konkrete Form ästhetischer Freiheit

Der Ausdruck «Free Jazz», der auch der Titel des unvergesslichen Buches von Ekkehard Jost ist, unterstreicht die Rolle der Freiheit in der musikalischen Praxis. Die These, dass ich in meinem Vortrag untersuchen möchte, ist, dass dieser Ausdruck den paradigmatischen Charakter suggeriert, den Improvisation für die Kunst als solche hat. Um diese These zu argumentieren, möchte ich zunächst auf die Rolle des Freiheitsbegriffs in den ästhetischen Vorstellungen der wichtigsten Vertreter der “Klassischen Deutschen Philosophie” (Kant, Fichte, Schiller und Hegel) eingehen. Es soll gezeigt werden, dass die Kant’sche These vom «freien Spiel» der kognitiven Fähigkeiten, die Fichtesche Konzeption der ästhetischen Haltung als Übergang zur transzendentalen Standpunkt, die Schiller’sche Identifikation von ästhetischem Schein und Freiheit und das Hegelsche Argument, wonach die Kunst den Menschen von der Sinnlichkeit im Bereich der Sinnlichkeit selbst befreiet, alle Ausdrucken einer ästhetischen Orientierung sind, wonach nicht Imitation, sondern Kreativität der authentische Kern der Kunst ist. Ich werde diese Idee in Bezug auf improvisierte Musik aufgreifen. Dabei werde ich argumentieren, dass Improvisation – als künstlerische Auseinandersetzung mit Kontingenz – die konstitutive Rolle performativ darstellt, welche die ästhetische Freiheit fürs ästhetische Gelingen spielt.

Gerhard Putschögl (Bad Rappenau):
Ekkehard Jost und die „Spanische Kultur“

Insbesondere in seiner Komposition für Jazzorchester „Cantos de Libertad“ und in seinem Artikel „Flamenco Nuevo? Stilistische Tendenzen im Flamenco der Gegenwart“ zeigt Ekkehard Jost ein lebendiges Interesse an der Musik und Kultur Spaniens. Vor allem seine kritische Sichtweise zu einem verkommerzialisierten „Pop-Flamenco“ soll hier Ausgangspunkt meiner Betrachtungen werden, die insgesamt ein Resümee der zeitgenössischen Entwicklung des Flamenco-Jazz beinhalten und die Stilcharakteristika der wichtigsten Protagonisten beleuchten.

Bernd Hoffmann (Köln):
Satchmo Ost – Satchmo West. Louis Armstrong, ein Botschafter auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs.

Die Rezeption und Wertschätzung des Trompeters Louis Armstrong geht während den 1960er Jahren ganz unterschiedliche Wege in beiden deutschen Staaten. Einerseits symbolisiert Armstrong das Zentrum des traditionellen Jazzgeschehens in den USA. Er ist Orientierung für zahlreiche Jazzfans, vor allem in Europa, für Fans, die die modernen Spielarten des Jazz ignorieren. Andererseits faszinieren sein souveräner Umgang mit populären Musikformen wie seine Auftritte im westdeutschen Schlagerfilm. Zusätzlich verspricht seine Funktion als „Jazz Ambassador“ der USA ein reges Wechselspiel der Perspektiven – auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs.    

Klaus Frieler (Frankfurt):
Jazz und Big Data: Was können uns Korpusstudien über den Jazz erzählen?

Big Data hält auch in den Geisteswissenschaften unter dem Schlagwort der Digital Humanities verstärkt Einzug, das gilt auch für die Jazzforschung, wenn auch bisher in geringerem Umfang. Die Anwendung statistischer Methoden in einer traditionell hermeneutisch auf Einzelwerke und -künstler ausgerichteten Disziplin bleibt allerdings nicht ohne Widerstand. In diesem Beitrag soll anhand aktueller Beispiele versucht werden zu zeigen, dass Daten-orientierte Forschungsansätze nicht im Widerspruch zu herkömmlichen Methoden stehen, sondern – im Gegenteil – neue Sichtweisen auf Altbekanntes bieten können, die das Gesamtbild produktiv bereichern, ergänzen und erweitern. Zudem erlauben derlei Methoden neue Fragen aufzuwerfen, die ohne sie vielleicht nicht zufriedenstellend beantwortet werden könnten.


Bildinformationen: ©Alexander Wenzel/KUG

41. RJR-Arbeitstagung in Siegburg

Die Mitglieder von Radio Jazz Research bei der 41. RJR-Tagung (8.-9. April Abtei Michaelsberg, Siegburg) zum Thema „Improvisation“ mit den Referenten Alessandro Bertinetto (Turin), Daniel Martin Feige (Stuttgart), Andy Hamilton (Durham/GB), Michael Rüsenberg (Köln).
Die Mitgliedr von Radio Jazz Research bei der 41. RJR Tagung

Herbert Uhlir (1950-2021)

Am 5. Dezember 2021 ist unser Radio Jazz Research-Mitglied Herbert Uhlir in einem Wiener Spital verstorben. Beim ORF (Wien) hat Herbert Uhlir von 2001 -2015 die Jazz-Sendungen des Hörfunks als Redakteur betreut. Die Vielfalt der verschiedenen österreichischen Jazzszenen hat er in diesen Sendungen abgebildet und beworben, besonders die einheimische Festival-Landschaft hervorzuheben war sein stetes Bemühen. In diesem Zeitraum entstanden auch zahlreiche Übertragungen in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk, die in 70 gemeinsamen „Jazznächten“ präsentiert wurden. Durch seine vielen Kontakte hat Herbert Uhlir dem Arbeitskreis Radio Jazz Research zahlreiche Mitglieder geworben und die Tagungen von RJR unterstützt. Wir verlieren einen guten Freund!

Die Beerdigung von Herbert Uhlir findet am 3. Januar 2022 auf dem Friedhof der Gemeinde Perchtoldsdorf (in unmittelbarer Nähe zu Wien, am Ostrand des Wienerwaldes), 13.00 Uhr statt.

© ORF

On December 5, 2021, Radio Jazz Research member Herbert Uhlir died in a Viennese hospital. At ORF (Austrian Radio), Herbert Uhlir was editor for jazz broadcasts on radio 2001-2015. He showed and encouraged the diversity of the various facets of the Austrian jazz scene in these programmes, and it was his constant endeavours to highlight the local festival landscape in particular. During this period, numerous broadcasts were made in cooperation with Westdeutscher Rundfunk, which were presented in 70 joint “Jazz Nights” at weekends. Through his many contacts, Herbert Uhlir has recruited several members for the Radio Jazz Research working group and supported the RJR conferences. We’re losing a good friend!

RJR-Mitglieder erinnern an Herbert Uhlir

Zum Tod von Herbert Uhlir

Herbert Uhlir ist nicht mehr. Das ist schwer zu begreifen, denn er war auch nach seiner Pensionierung als Ö1-Jazzredaktionsleiter recht präsent. Man hat ihn, den geselligen, kontaktfreudigen Kollegen, immer wieder auf diversen Festivals getroffen – nicht zuletzt jenen, deren Konzerte er in seiner „aktiven“ beruflichen Zeit über Jahre hindurch hat aufnehmen lassen. Schon in den letzten Jahren wirkte Herbert gesundheitlich angeschlagen, sein Tod kommt dennoch überraschend.

In seinen 14 Jahren als Leiter der Ö1-Jazzredaktion (2001-15) hat Herbert Uhlir tiefe Spuren hinterlassen. Herbert traf durch die regelmäßige Aufnahme wichtiger österreichischer Jazzereignisse wie der INNtöne in Oberösterreich, von Outreach in Schwaz sowie der Festivals in Saalfelden und Leibnitz richtungsweisende Entscheidungen, die bis heute nachwirken. Akzente setzte er außerdem – gemeinsam mit seinem Kölner Kollegen Bernd Hoffmann – mit der modellhaften Kooperation mit der Jazzredaktion des WDR. Von März 2006 bis Februar 2019 wurden 71 gemeinsame Ö1/WDR3-Jazznächte ländergrenzenübergreifend ausgestrahlt.

Ö1-Chef Martin Bernhofer würdigt Herbert Uhlir als „exzellenten Jazz-Kenner und Vermittler“, der „die Grundlagen für das Profil von Ö1 auch als ‹Jazzsender› gelegt“ habe. Wir alle verlieren einen liebenswürdigen Menschen. Die Ö1-Musikredaktion und vor allem das Ressort Jazz, Popular- und Weltmusik wird Herbert Uhlir ein ehrendes Andenken bewahren.

(Dr. Andreas Felber, Teamleiter Jazz, Ö1)

Peter Moser, Herbert Uhlir im «Metronom» in Köln, 21.09.2015
©Karsten Mützelfeldt

Erinnerungen an Herbert Uhlir

Schon bei unserer ersten Begegnung im Backstage-Bereich eines niederrheinischen Festivals verabredeten wir eine gemeinsame Live-Sendung. War es zuerst als radiophone Spielerei gedacht, so erkannten wir aber sofort die Chance, den Jazz mit dieser internationalen Kooperation (Ö1/WDR3) über den Alltag der eigenen Sendeanstalt hinauszuheben. Aus Herbert sprach die Erfahrung eines langgedienten Radiomenschen, der die Struktur (und die Fallstricke) seines Funkhauses kannte und der genau wusste, wie eine solche Idee zu platzieren war: Dass es später ein nahezu ideales Sendegefäß für diese internationale Kooperation, die „ORF/WDR Jazznacht“ geben sollte, wurde in der ARD verwundert bestaunt.

Es mag abgedroschen klingen, aber die Zusammenarbeit funktionierte vom ersten Tag an, denn die Chemie stimmte. Beide waren wir erst seit kurzem Jazz-Redakteure, suchten ein eigenes Profil und hatten mit dieser, redaktionellen-Finanzen-schonenden Gemeinschaftsarbeit bald ein prägendes Instrument der radiophonen Präsentation regionaler Jazz-Landschaften in der Hand. Die gemeinsamen Sendungen fingen mit kleineren Live-Konzerten an, am 11. März 2006 übertrugen wir dann die erste (nächtliche) Acht-Stunden-Sendung, die „Cologne – Vienna – Jazz Bridge“ aus dem Kölner Stadtgarten. Moderiert haben diese erste Kooperation Michael Rüsenberg und Herbert Uhlir, eine Besetzung, die über Jahre die gemeinsamen Jazznächte prägen sollten.

Michael Rüsenberg über Herbert Uhlir: „Herbert war unerschrocken gegenüber Rotlicht, sei es am Studio- oder am Saalmikrofon. Er war enorm begeisterungsfähig, er verstand sich als Anwalt sowohl der Musiker als auch des Publikums. Nicht zuletzt war er ein Anekdotenerzähler der Extraklasse.“ Eine überaus treffende Beschreibung von Herberts Souveränität und handwerklicher Qualität in verschiedensten Radioformaten. Als Ergebnis  dieser gemeinschaftlichen Arbeit entstanden allein bei den „JazzNächten“ über fünfhundert Sendestunden (2006-2019), die zahlreiche Jazz-Festivals in Österreich und NRW vorgestellt haben und deren Konzerte meist live übertragen wurden.

Neben dieser radiopolitischen Seite brachten mir diese Live-Sendungen auch die große Festival-Vielfalt Österreichs näher: Die Übertragung aus alten Wirtsstuben und großen Konzertsälen wird in meiner Erinnerung überstrahlt vom Glanz der violetten Berge beim Sonnenaufgang über Schwaz (Tirol) bei einer Sendung vom dortigen gymnasialen Fußballplatz. Der jetzige Ö1 Wellenchef Martin Bernhofer nennt Uhlir einen „musikalisch innovativen Kulturbotschafter“. Seine Freundschaft beförderte auch die Vermittlung von RJR-Tagungsadressen in Österreich, zahlreiche Mitglieder des Arbeitskreises wurden von Herbert Uhlir für Radio Jazz Research gewonnen. Im Ruhestand bereist er weiterhin die großen und kleinen Jazzfestivals und zog sich immer wieder an schöne und diskrete Orte seines Heimatlandes zurück. 

Herbert Uhlir hat dem österreichischen Jazz gutgetan!

(Priv. Doz. Dr. Bernd Hoffmann, Vorstand Radio Jazz Research)

Herbert Uhlir und Bernd Hoffmann, WDR Jazzfest 2013, Gütersloh

Herbert Uhlir

Herbert Uhlir ist stets ein angenehmer Gesprächspartner gewesen, mit dem man gleichermaßen locker plaudern wie tiefgehend diskutieren konnte. Und obwohl er viel über Jazz und improvisierte Musik wusste, so hat sein Wissen nie etwas Akademisches gehabt. Ganz im Gegenteil: Oftmals fußte es auf persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen, auf Begegnungen und Gesprächen mit Größen dieser Musik. Und das, was ihn als Gesprächspartner ausgezeichnete, wurde auch zur Grundlage seiner Arbeit als Ö1-Jazzredakteur: selbst den komplexesten Jazz den Hörer/-innen so zu vermitteln, dass diese durch seine Leidenschaft für diese Musik geradezu angesteckt wurden. Uhlir war ein „Kommunikator“, jemand, der die verschiedenen Jazzszenen in Österreich zu verknüpfen wusste, um diese dann in einen internationalen Kontext zu setzen – wie zum Beispiel in 70 gemeinsamen Jazznächten mit dem Westdeutschen Rundfunk, in denen er uns in Deutschland den Jazz aus Österreich in seiner ganzen stilistischen Vielfalt und ästhetischen Differenzierung nahebrachte.

Martin Laurentius, Redakteur Jazzthing


Herbert Uhlir

Ein freundlicher und liebenswerter Mensch. Und er konnte auf eine Art charmant sein, die einen Piefke manchmal neidisch werden ließ. Wer von ihm erfahren wollte, was es denn mit dem so schwer fassbaren Wiener Schmäh auf sich hat – er konnte es einem vermitteln. Er war kein Grantler, beileibe nicht, auch wenn er aus seiner Abneigung gegenüber den Eitelkeiten spießig-verklemmter Besserwisser keinen Hehl machte. Herbert interessierte sich für Vieles, für sehr Vieles, und ließ einen ohne jegliche Überheblichkeit gern an seinem breiten Wissen teilhaben. Zu wissen, ihn bald hier oder da wiederzutreffen, ging immer mit Vorfreude einher. Endlose Tages-, Abend- und Nachtgespräche bleiben unvergesslich. Nachdenkliches und immer wieder Witziges. Sein Anekdoten-Schatz war gewaltigen Umfangs, sie zu erzählen und im richtigen Moment mit dem richtigen timing wirken zu lassen, eines von vielen seiner Talente. Ein kluger, belesener Kopf und bauchiger Genussmensch, geerdet und kommunikativ. Ein passionierter Reisender, mit offenen Ohren, Augen und offenem Herzen, der dich immer wieder daran erinnerte, dass die Jazz-Welt eine schöne, aber eben sehr kleine ist – und es jenseits von ihr so viel mehr zu entdecken gibt.

Karsten Mützelfeldt, Jazz Journalist und Radiomoderator

WDR3/Ö1 Jazznacht: WDR Jazzfest 2016, Sendung mit Karsten Mützelfeldt und Herbert Uhlir (Landesstudio Münster, 31. Januar 2016)

Herbert Uhlir

Herbert Uhlir brought something very special to the meetings of Radio Jazz Research. He set the tone by always being friendly, welcoming, thoughtful, and inclusive.  In this jazz world I know that I have the good fortune to meet some very special people, and Herbert was one of the best. I shall miss him.

Sebastian Scotney, London Jazz News


HERBERT UHLIR – ein Freund der Jazzfreunde Bad Ischl

NACHRUF

Als wir uns Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts kennenlernten, hattest du die Vision die Jazzmusik nicht nur in den großen Sälen und Städten sondern auch an „unkonventionellen“ Orten und „kleinen“ Jazzclubs zu unterstützen und zu promoten. Und so kam es, dass ich 2002 als Obmann des Vereins Jazzfreunde Bad Ischl als Gast in deine Ö1- Jazznacht-Sendung eingeladen wurde – es folgten weitere Sendungen, eine davon war 6 Stunden lang!

Mit der ersten ORF Aufnahme im Jahre 2005 für die Sendung „On stage“ startete Ö1, wo du als Leiter der Jazzredaktion tätig warst, eine langjährige Kooperation – mittlerweile sind über 20 Livemitschnitte, einige davon auch in der „Edition Jazz Austria“, die du auch initiiert hast, als CDs erschienen. Lieber Herbert, all diese Initiativen haben uns geholfen und motiviert, auch wie du über unseren „Enthusiasmus“ geschrieben hast „mitten im Salzkammergut eine Jazz-Oase höchster Qualität aufrecht zu erhalten und ein interessiertes Publikum anzusprechen.»
Deine Mail-Signatur hatte einen Zusatztext: “Jazz is more than music!” – als Mensch warst du ein offener und scharfer Beobachter des Weltgeschehens und ein überaus objektiver Analytiker – die Welt der Bücher hat dir die Balance dazu gegeben. Bei deinen jährlichen Aufenthalten im Salzkammergut und unseren Zusammenkünften bei verschiedenen Festivals und bei Radio Jazz Research Tagungen haben wir gemeinsam all diese Aspekte analysiert und die Zukunft der Jazzszene vorausgedacht – wunderbare Momente.

Momente die du mit dir mitnimmst… Die wunderbaren Erinnerungen bleiben…

Lieber Herbert, du hast dich getraut die „Seven Steps to Heaven“ zu beschreiten,
… wir sind noch unterwegs!

Emilian Tantana Obmann der Jazzfreunde Bad Ischl

WDR/Jazzfest 2017, Sendung mit Karsten Mützelfeldt und Herbert Uhlir, Theater in Gütersloh, 05.02.2017
© Karsten Mützelfeldt

Herbert Uhlir

As I got to know Herbert, through our meetings of Radio Jazz Research and elsewhere, I realised that I was in the presence of a true professional – one who understood intuitively how to present the music and also how to use his position at ORF to provide such a great service to so many in a selfless manner. It wasn’t about working out how to make his way upwards in a large organisation but rather by helping listeners to learn about the music and where they could hear the music, in his support for musicians of quality and also those who promote the music at its roots with passion and commitment, such as the smaller venues, festivals and labels. This could only come from years of experience but also an awareness of how to bring it all together. His ways, sometimes not the most predictable, were nevertheless to be respected, and perhaps that’s why he was able to become such a popular man within our scene.

Oliver Weindling, Jazzclub Vortex, London

Publikationen

Es erscheinen vier interessante Publikationen, geschrieben von Autoren und Mitgliedern, die beispielhaft die Themenbreite von Radio Jazz Research demonstrieren:

Jürgen Arndt: Caterina Valente, Wolfgang Lauth, Jazz und Schlager. Facetten der 1950er Jahre und darüber hinaus. Olms-Weidmann, Hildesheim/Zürich 2021, 48.00 €

Georg Bertram/Michael Rüsenberg: Improvisieren! Lob der Ungewissheit. Reclam, Stuttgart 2021, 12.00 €*

Willem Strank: Handbuch Filmgeschichte. Von den Anfängen bis Heute. UTB 39.90 €

Hans Christian Hagedorn: “Don Quixote’s Adventures in the World of Jazz: 200 Examples and a Few Remarks”. In: Anales Cervantinos (Zeitschrift der spanischen Forschungsgesellschaft CSIC Consejo Superior de Investigaciones Científicas) 54, 2022, S. 101-173, ISSN: 0569-9878, e-ISSN: 1988-8325, https://analescervantinos.revistas.csic.es/index.php/analescervantinos/issue/view/27 (open access).

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* Die Improvisationsgeschichte behandeln wir in der 42. RJR-Tagung in Siegburg 2022.