Neue Künstlerische Geschäftsführung im Stadtgarten Köln

Pressemitteilung, Köln 28. Juni 2022


Neue Künstlerische Geschäftsführung im Stadtgarten Köln


Reiner Michalke übergibt an Kornelia Vossebein

Eine Ära geht zu Ende: 44 Jahre nach Gründung der Initiative Kölner Jazz Haus (IKJH) und nach 36 Jahren als verantwortlicher Kurator des Konzertprogramms im Stadtgarten Köln, dem „Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik“, übergibt Reiner Michalke den Staffelstab an seine Nachfolgerin Kornelia Vossebein, die ab dem 1. Juli die Künstlerische Geschäftsführung dieser international renommierten Spielstätte übernehmen wird.
1978 gründete der studierte Volkswirt und Bassist Reiner Michalke mit weiteren Kölner Musiker:innen die IKJH. Ziel war es, mit dem Stadtgarten eine Spielstätte für die kreative Kölner Jazzszene zu bekommen, die bis dato im Kulturleben der Stadt so gut wie nicht berücksichtigt wurde. Nach einem fünf Jahre dauernden, kulturpolitischen Kampf bekam die IKJH 1983 den Zuschlag für den Stadtgarten.
In der Folge konnte dank finanzieller Unterstützung des Landes NRW am 4. September 1986 der Konzertsaal eröffnet werden – mit Reiner Michalke als Künstlerischem Leiter.
Mittlerweile finden auf dessen drei Bühnen jährlich rund 400 Konzerte statt. 2017 wurde der Stadtgarten vom Land NRW und der Stadt Köln zum „Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik“ aufgewertet und erhält seitdem eine gesicherte Förderung Reiner Michalke war stets mehr als nur ein Konzertveranstalter. Von Anfang an war es ihm wichtig, mit anderen Formen der Präsentation zeitgenössischer Musik zu experimentieren. Das zeigte sich bereits bei den Jazz Haus Festivals ab 1978, mit denen das Potenzial der Kölner Szene auf die Bühne gebracht wurde. Das zeigte sich auch mit
Festivals wie beispielsweise „Post This & Neo That“, das er zwischen 1989 und 1996 gemeinsam mit Matthias von Welck in der Kölner Philharmonie realisierte, oder der Musiktriennale Köln, deren Jazzprogramm Michalke von 1993 bis 2007 in Kooperation mit der Kölner Philharmonie kuratierte. Von 2006 bis 2016 war er Künstlerischer Leiter des Moers Festival, seit 2018 ist er Intendant der Monheim
Triennale. Michalke war Gründungsmitglied sowohl des „Europe Jazz Network“ als auch der Bundeskonferenz Jazz“, mit denen er oftmals wichtige kulturpolitische Initiativen auf den Weg brachte. Ebenfalls auf seine Initiative zurück geht der Spielstättenprogrammpreis „Applaus“ des Bundes, die Gründungen von Off-Cologne (Verband Mittelständischer Kulturwirtschafts-Betriebe e.V.), des Kulturnetz Köln und der Kölner Jazzkonferenz. Zudem ist Michalke Mitglied im Musikbeirat des Goethe-Instituts.
„Zum 1. Juli 2022 verabschiedet sich Reiner Michalke aus der Künstlerischen Leitung des Kölner Stadtgartens“, so Ulla Oster, Vorstandsvorsitzende der IKJH. „Unerschrocken, beharrlich, abenteuerlustig und visionär hat er dem Jazz und der aktuellen, improvisierten Musik Türen geöffnet; er hat neue Wege gesucht, gezeigt und geebnet, und damit wird er vermutlich auch in den nächsten Jahren nicht aufhören.
Wir sind froh, dass wir in Kornelia Vossebein die richtige Nachfolgerin für Reiner Michalke gefunden haben. Mit ihrer Kompetenz, Erfahrung, Leidenschaft und Offenheit wird sie das Schiff Stadtgarten tatkräftig weitersteuern.“
Die studierte Literatur- und Sprachwissenschaftlerin Kornelia Vossebein war ab 2001 als Geschäftsführerin für das Konzertprogramm im Bunker Ulmenwall in Bielefeld verantwortlich und arbeitete in der Zeit schon eng mit dem Stadtgarten Köln zusammen – wie zum Beispiel in der „Gemeinschaft unabhängiger Spielstätten“. 2009 wechselte sie als Geschäftsführerin zur Zeche Carl in Essen, bevor sie 2020 die Leitung von „NICA artist developement“ übernahm, dem Exzellenz-Förderprogramm des Landes NRW für
Jazz und aktuelle Musik, das vom Stadtgarten organisiert und durchgeführt wird. Vossebein ist Mitglied der Lenkungsgruppe des Spielstättenprogrammpreises „Applaus“ des Bundes und Sprecherin der „Bundeskonferenz Jazz“. Als Künstlerische Geschäftsführerin will Vossebein das Kurator:innen-System verstärken, um den Stadtgarten noch mehr als Ort für ungewöhnliche Musikproduktionen zu etablieren. Einen weiteren Schwerpunkt ihrer Arbeit sieht sie in der Intensivierung der internationalen Vernetzung des Stadtgarten Köln.


Weitere Informationen finden Sie hier.


Ansprechpartnerin und Kontakt
Jennifer Lauri
Leitung Kommunikation & Presse
Stadtgarten Köln
T: +49 (0)221 – 952994-34
Jennifer.lauri@stadtgarten.de
www.stadtgarten.de

Herbert Uhlir (1950-2021)

Am 5. Dezember 2021 ist unser Radio Jazz Research-Mitglied Herbert Uhlir in einem Wiener Spital verstorben. Beim ORF (Wien) hat Herbert Uhlir von 2001 -2015 die Jazz-Sendungen des Hörfunks als Redakteur betreut. Die Vielfalt der verschiedenen österreichischen Jazzszenen hat er in diesen Sendungen abgebildet und beworben, besonders die einheimische Festival-Landschaft hervorzuheben war sein stetes Bemühen. In diesem Zeitraum entstanden auch zahlreiche Übertragungen in Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk, die in 70 gemeinsamen „Jazznächten“ präsentiert wurden. Durch seine vielen Kontakte hat Herbert Uhlir dem Arbeitskreis Radio Jazz Research zahlreiche Mitglieder geworben und die Tagungen von RJR unterstützt. Wir verlieren einen guten Freund!

Die Beerdigung von Herbert Uhlir findet am 3. Januar 2022 auf dem Friedhof der Gemeinde Perchtoldsdorf (in unmittelbarer Nähe zu Wien, am Ostrand des Wienerwaldes), 13.00 Uhr statt.

© ORF

On December 5, 2021, Radio Jazz Research member Herbert Uhlir died in a Viennese hospital. At ORF (Austrian Radio), Herbert Uhlir was editor for jazz broadcasts on radio 2001-2015. He showed and encouraged the diversity of the various facets of the Austrian jazz scene in these programmes, and it was his constant endeavours to highlight the local festival landscape in particular. During this period, numerous broadcasts were made in cooperation with Westdeutscher Rundfunk, which were presented in 70 joint “Jazz Nights” at weekends. Through his many contacts, Herbert Uhlir has recruited several members for the Radio Jazz Research working group and supported the RJR conferences. We’re losing a good friend!

RJR-Mitglieder erinnern an Herbert Uhlir

Zum Tod von Herbert Uhlir

Herbert Uhlir ist nicht mehr. Das ist schwer zu begreifen, denn er war auch nach seiner Pensionierung als Ö1-Jazzredaktionsleiter recht präsent. Man hat ihn, den geselligen, kontaktfreudigen Kollegen, immer wieder auf diversen Festivals getroffen – nicht zuletzt jenen, deren Konzerte er in seiner „aktiven“ beruflichen Zeit über Jahre hindurch hat aufnehmen lassen. Schon in den letzten Jahren wirkte Herbert gesundheitlich angeschlagen, sein Tod kommt dennoch überraschend.

In seinen 14 Jahren als Leiter der Ö1-Jazzredaktion (2001-15) hat Herbert Uhlir tiefe Spuren hinterlassen. Herbert traf durch die regelmäßige Aufnahme wichtiger österreichischer Jazzereignisse wie der INNtöne in Oberösterreich, von Outreach in Schwaz sowie der Festivals in Saalfelden und Leibnitz richtungsweisende Entscheidungen, die bis heute nachwirken. Akzente setzte er außerdem – gemeinsam mit seinem Kölner Kollegen Bernd Hoffmann – mit der modellhaften Kooperation mit der Jazzredaktion des WDR. Von März 2006 bis Februar 2019 wurden 71 gemeinsame Ö1/WDR3-Jazznächte ländergrenzenübergreifend ausgestrahlt.

Ö1-Chef Martin Bernhofer würdigt Herbert Uhlir als „exzellenten Jazz-Kenner und Vermittler“, der „die Grundlagen für das Profil von Ö1 auch als ‹Jazzsender› gelegt“ habe. Wir alle verlieren einen liebenswürdigen Menschen. Die Ö1-Musikredaktion und vor allem das Ressort Jazz, Popular- und Weltmusik wird Herbert Uhlir ein ehrendes Andenken bewahren.

(Dr. Andreas Felber, Teamleiter Jazz, Ö1)

Peter Moser, Herbert Uhlir im «Metronom» in Köln, 21.09.2015
©Karsten Mützelfeldt

Erinnerungen an Herbert Uhlir

Schon bei unserer ersten Begegnung im Backstage-Bereich eines niederrheinischen Festivals verabredeten wir eine gemeinsame Live-Sendung. War es zuerst als radiophone Spielerei gedacht, so erkannten wir aber sofort die Chance, den Jazz mit dieser internationalen Kooperation (Ö1/WDR3) über den Alltag der eigenen Sendeanstalt hinauszuheben. Aus Herbert sprach die Erfahrung eines langgedienten Radiomenschen, der die Struktur (und die Fallstricke) seines Funkhauses kannte und der genau wusste, wie eine solche Idee zu platzieren war: Dass es später ein nahezu ideales Sendegefäß für diese internationale Kooperation, die „ORF/WDR Jazznacht“ geben sollte, wurde in der ARD verwundert bestaunt.

Es mag abgedroschen klingen, aber die Zusammenarbeit funktionierte vom ersten Tag an, denn die Chemie stimmte. Beide waren wir erst seit kurzem Jazz-Redakteure, suchten ein eigenes Profil und hatten mit dieser, redaktionellen-Finanzen-schonenden Gemeinschaftsarbeit bald ein prägendes Instrument der radiophonen Präsentation regionaler Jazz-Landschaften in der Hand. Die gemeinsamen Sendungen fingen mit kleineren Live-Konzerten an, am 11. März 2006 übertrugen wir dann die erste (nächtliche) Acht-Stunden-Sendung, die „Cologne – Vienna – Jazz Bridge“ aus dem Kölner Stadtgarten. Moderiert haben diese erste Kooperation Michael Rüsenberg und Herbert Uhlir, eine Besetzung, die über Jahre die gemeinsamen Jazznächte prägen sollten.

Michael Rüsenberg über Herbert Uhlir: „Herbert war unerschrocken gegenüber Rotlicht, sei es am Studio- oder am Saalmikrofon. Er war enorm begeisterungsfähig, er verstand sich als Anwalt sowohl der Musiker als auch des Publikums. Nicht zuletzt war er ein Anekdotenerzähler der Extraklasse.“ Eine überaus treffende Beschreibung von Herberts Souveränität und handwerklicher Qualität in verschiedensten Radioformaten. Als Ergebnis  dieser gemeinschaftlichen Arbeit entstanden allein bei den „JazzNächten“ über fünfhundert Sendestunden (2006-2019), die zahlreiche Jazz-Festivals in Österreich und NRW vorgestellt haben und deren Konzerte meist live übertragen wurden.

Neben dieser radiopolitischen Seite brachten mir diese Live-Sendungen auch die große Festival-Vielfalt Österreichs näher: Die Übertragung aus alten Wirtsstuben und großen Konzertsälen wird in meiner Erinnerung überstrahlt vom Glanz der violetten Berge beim Sonnenaufgang über Schwaz (Tirol) bei einer Sendung vom dortigen gymnasialen Fußballplatz. Der jetzige Ö1 Wellenchef Martin Bernhofer nennt Uhlir einen „musikalisch innovativen Kulturbotschafter“. Seine Freundschaft beförderte auch die Vermittlung von RJR-Tagungsadressen in Österreich, zahlreiche Mitglieder des Arbeitskreises wurden von Herbert Uhlir für Radio Jazz Research gewonnen. Im Ruhestand bereist er weiterhin die großen und kleinen Jazzfestivals und zog sich immer wieder an schöne und diskrete Orte seines Heimatlandes zurück. 

Herbert Uhlir hat dem österreichischen Jazz gutgetan!

(Priv. Doz. Dr. Bernd Hoffmann, Vorstand Radio Jazz Research)

Herbert Uhlir und Bernd Hoffmann, WDR Jazzfest 2013, Gütersloh

Herbert Uhlir

Herbert Uhlir ist stets ein angenehmer Gesprächspartner gewesen, mit dem man gleichermaßen locker plaudern wie tiefgehend diskutieren konnte. Und obwohl er viel über Jazz und improvisierte Musik wusste, so hat sein Wissen nie etwas Akademisches gehabt. Ganz im Gegenteil: Oftmals fußte es auf persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen, auf Begegnungen und Gesprächen mit Größen dieser Musik. Und das, was ihn als Gesprächspartner ausgezeichnete, wurde auch zur Grundlage seiner Arbeit als Ö1-Jazzredakteur: selbst den komplexesten Jazz den Hörer/-innen so zu vermitteln, dass diese durch seine Leidenschaft für diese Musik geradezu angesteckt wurden. Uhlir war ein „Kommunikator“, jemand, der die verschiedenen Jazzszenen in Österreich zu verknüpfen wusste, um diese dann in einen internationalen Kontext zu setzen – wie zum Beispiel in 70 gemeinsamen Jazznächten mit dem Westdeutschen Rundfunk, in denen er uns in Deutschland den Jazz aus Österreich in seiner ganzen stilistischen Vielfalt und ästhetischen Differenzierung nahebrachte.

Martin Laurentius, Redakteur Jazzthing


Herbert Uhlir

Ein freundlicher und liebenswerter Mensch. Und er konnte auf eine Art charmant sein, die einen Piefke manchmal neidisch werden ließ. Wer von ihm erfahren wollte, was es denn mit dem so schwer fassbaren Wiener Schmäh auf sich hat – er konnte es einem vermitteln. Er war kein Grantler, beileibe nicht, auch wenn er aus seiner Abneigung gegenüber den Eitelkeiten spießig-verklemmter Besserwisser keinen Hehl machte. Herbert interessierte sich für Vieles, für sehr Vieles, und ließ einen ohne jegliche Überheblichkeit gern an seinem breiten Wissen teilhaben. Zu wissen, ihn bald hier oder da wiederzutreffen, ging immer mit Vorfreude einher. Endlose Tages-, Abend- und Nachtgespräche bleiben unvergesslich. Nachdenkliches und immer wieder Witziges. Sein Anekdoten-Schatz war gewaltigen Umfangs, sie zu erzählen und im richtigen Moment mit dem richtigen timing wirken zu lassen, eines von vielen seiner Talente. Ein kluger, belesener Kopf und bauchiger Genussmensch, geerdet und kommunikativ. Ein passionierter Reisender, mit offenen Ohren, Augen und offenem Herzen, der dich immer wieder daran erinnerte, dass die Jazz-Welt eine schöne, aber eben sehr kleine ist – und es jenseits von ihr so viel mehr zu entdecken gibt.

Karsten Mützelfeldt, Jazz Journalist und Radiomoderator

WDR3/Ö1 Jazznacht: WDR Jazzfest 2016, Sendung mit Karsten Mützelfeldt und Herbert Uhlir (Landesstudio Münster, 31. Januar 2016)

Herbert Uhlir

Herbert Uhlir brought something very special to the meetings of Radio Jazz Research. He set the tone by always being friendly, welcoming, thoughtful, and inclusive.  In this jazz world I know that I have the good fortune to meet some very special people, and Herbert was one of the best. I shall miss him.

Sebastian Scotney, London Jazz News


HERBERT UHLIR – ein Freund der Jazzfreunde Bad Ischl

NACHRUF

Als wir uns Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts kennenlernten, hattest du die Vision die Jazzmusik nicht nur in den großen Sälen und Städten sondern auch an „unkonventionellen“ Orten und „kleinen“ Jazzclubs zu unterstützen und zu promoten. Und so kam es, dass ich 2002 als Obmann des Vereins Jazzfreunde Bad Ischl als Gast in deine Ö1- Jazznacht-Sendung eingeladen wurde – es folgten weitere Sendungen, eine davon war 6 Stunden lang!

Mit der ersten ORF Aufnahme im Jahre 2005 für die Sendung „On stage“ startete Ö1, wo du als Leiter der Jazzredaktion tätig warst, eine langjährige Kooperation – mittlerweile sind über 20 Livemitschnitte, einige davon auch in der „Edition Jazz Austria“, die du auch initiiert hast, als CDs erschienen. Lieber Herbert, all diese Initiativen haben uns geholfen und motiviert, auch wie du über unseren „Enthusiasmus“ geschrieben hast „mitten im Salzkammergut eine Jazz-Oase höchster Qualität aufrecht zu erhalten und ein interessiertes Publikum anzusprechen.»
Deine Mail-Signatur hatte einen Zusatztext: “Jazz is more than music!” – als Mensch warst du ein offener und scharfer Beobachter des Weltgeschehens und ein überaus objektiver Analytiker – die Welt der Bücher hat dir die Balance dazu gegeben. Bei deinen jährlichen Aufenthalten im Salzkammergut und unseren Zusammenkünften bei verschiedenen Festivals und bei Radio Jazz Research Tagungen haben wir gemeinsam all diese Aspekte analysiert und die Zukunft der Jazzszene vorausgedacht – wunderbare Momente.

Momente die du mit dir mitnimmst… Die wunderbaren Erinnerungen bleiben…

Lieber Herbert, du hast dich getraut die „Seven Steps to Heaven“ zu beschreiten,
… wir sind noch unterwegs!

Emilian Tantana Obmann der Jazzfreunde Bad Ischl

WDR/Jazzfest 2017, Sendung mit Karsten Mützelfeldt und Herbert Uhlir, Theater in Gütersloh, 05.02.2017
© Karsten Mützelfeldt

Herbert Uhlir

As I got to know Herbert, through our meetings of Radio Jazz Research and elsewhere, I realised that I was in the presence of a true professional – one who understood intuitively how to present the music and also how to use his position at ORF to provide such a great service to so many in a selfless manner. It wasn’t about working out how to make his way upwards in a large organisation but rather by helping listeners to learn about the music and where they could hear the music, in his support for musicians of quality and also those who promote the music at its roots with passion and commitment, such as the smaller venues, festivals and labels. This could only come from years of experience but also an awareness of how to bring it all together. His ways, sometimes not the most predictable, were nevertheless to be respected, and perhaps that’s why he was able to become such a popular man within our scene.

Oliver Weindling, Jazzclub Vortex, London

Manfred Miller, 1943-2021

Michael Rüsenberg (mit freundlicher Genehmigung von jazzcity.de)

Manfred Miller, 1943-2021

Eine solche Spannweite wird es in der deutschen Jazzpublizistik nicht mehr geben. Dass jemand Schlüsselalben des FreeJazz produziert und später wie kein zweiter in den Blues sich vertieft, insbesondere in seine Texte.

Konkret: 1967 dirigiert er einen Ü-Wagen, Personal und Bandmaterial in eine Schulaula, um „For Adolphe Sax“ von Peter Brötzmann aufzunehmen. Mit der damals streng verbotenen Konsequenz, dass der Künstler die Bänder an sich nimmt und in Form einer Langspielplatte auf den nach dieser Musik nicht gerade gierenden Markt bringt.

Das war 1967. Da hatte er gerade ein Studium der Philosophie und Musikwissenschaft in Köln abgebrochen und verdingte sich als Hilfsredakteur der Deutschen Welle. Ein Jahr später, nun bei Radio Bremen als ordentlicher Jazz- & Pop-Redakteur, lässt er erneut Mikrofone auf Peter Brötzmann richten, an einem Maien-Nachmittag in der „Lila Eule“, für das noch legendärere Album „Machine Gun“.

Aus dem Juni 1967 kursieren Schnipsel durchs Internet, von einer sagenhaften Freitagnachmittag-Debatte im Ersten Deutschen Fernsehen (an Werner Höfers Hufeisen-Tisch), wo er den Advokat des Teufels gibt und eloquent die Ästhetik des damals neuen FreeJazz gegen die störrischen Mienen von Felix Schmidt (Der Spiegel) und Siggi Loch verteidigt. Unvergessen eine Überleitung des Moderators Siegfried Schmidt-Joos („Bevor wir Herrn Brötzmann zum Abschuss freigeben“) sowie der Moment, wo Klaus Doldinger kurz den Brötzmann gibt (und wild in den Raum quiekt). Woraufhin er von Miller auf die Plätze verwiesen wird mit der Bemerkung, dass er damit nicht ein Konzert in der neuen Stilistik bestreiten könne.

An einem Mikrofon von Radio Bremen war es auch, wo er 1968 mit einer süffisanten Bemerkung über das Paradepferd der Bundeswehr, den Starfighter, den Status einer Berühmtheit im Warhol´schen Sinne erlangte. Gerade war der 99. Starfighter abgestürzt, da gab Miller im „Pop Shop“ die Empfehlung aus: „Freunde, stellt schon mal den Sekt kalt, der 100. kommt bald!“

Die Leitung des Hauses, man ahnt es, zählte sich nicht zu diesem Freundeskreis.

Sie ließ ihn gleichwohl im Norden nicht verstummen. 1972 wirkte er an der 13teiligen TV-Reihe „Sympathy for the Devil“ mit. 1973 – „mit politisch bedingten Unterbrechungen (zwischen 1975 bis 1984) bis 1986 (wie sein Nachfolger bei Radio Bremen, Peter Schulze anmerkt) folgten 52 Einstunden-Sendungen „Roll over Beethoven – Zur Geschichte der Populären Musik“ für Radio Bremen 2, aber auch NDR und WDR. Aus der Sendereihe ging eine Sammlung hervor, die seit 1991 unter Klaus-Kuhnke-Archiv für Populäre Musik in Bremen ansässig ist.

Millers Schwerpunkt hatte sich da schon weg vom FreeJazz und mehr zur Populären Musik (in einem sehr umfassenden Sinne) verlagert, Und vor allem: zum Blues!

1976 arbeitete er im SWF-Landesstudio Mainz, zunächst als freier Mitarbeiter, von 1981 bis 1999 als regionaler Kulturredakteur.

Bis in die 80er hinein jedenfalls wirkte er auf SWF 2 an der legendären 19:30-Uhr-Strecke mit, und zwar mit „Oldtime“ (!) und „Bluestime“.

Oh ja, der Blues! Verblüffend, auf discogs zu finden, wie viele Alben er kompiliert, für wie viele er liner notes geschrieben hat. Mit dem Blues blieb er bis zuletzt über das von ihm mitbegründete und ihn schwer auszeichnende Bluesfestival in Lahnstein verbunden. Wir dürfen sagen, wir haben vor allem von ihm gelernt, dass der Blues kein Kind von Traurigkeit ist (jedenfalls nicht durchgängig) und dass er nicht ewig über 12 Takte läuft.

Unvergessen, wie er sich in die Lyrik des Blues vertiefte, sie kongenial übersetzte und uns Frischlingen den erotischen Doppelsinn so mancher braver Sprachfloskel entschlüsselte, darunter seine eigene Kategorie des (Sexual)Protzer-Blues.

Die Rentnerjahre verbrachte er wechselweise auf Elba und in Mainz. Zuletzt machte er sich noch an ein publizistisches Großprojekt, dessen erster Teil unter „Um Blues und Groove – Afroamerikanische Musik im 20. Jahrhundert“ 2017 erschien. Man hätte gerne gehört, was er zur heutigen Duckmäuser-Debatte (hier Euro-Zentrismus, dort Afro-Amerikanismus) gesagt hätte.

Es bleibt allemal schade, dass er seine große Begabung nicht über die gesamte Lebenszeit zum Ausdruck hat bringen können. Er hätte in den Olymp der deutschen Jazzpublizistik gepasst, neben Peter Niklas Wilson, Ekkehard Jost, Alfons Dauer, ja auch Michael Naura.

Manfred Miller, geboren am 11. April 1943 in Reichenberg (ehemals Nordböhmen), ist am 4. Juni 2021 in Mainz einer Krebserkrankung erlegen. Er wurde 78 Jahre alt.

Kornelia Vossebein neue Leitung des Künstler:innen-Förderprogrammes „NICA artist development“

Unser RJR-Mitglied Kornelia Vossebein hat in diesem Jahr eine neue berufliche Aufgabe übernommen: Die Leitung des Künstler:innen-Förderprogrammes „NICA artist development“ des Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, koordiniert vom Europäischen Zentrum für Jazz und aktuelle Musik Stadtgarten Köln.

Wir gratulieren Kornelia Vossebein und wünschen Ihr für Ihren neuen beruflichen Weg alles Gute!

Langjähriges Radio Jazz Research-Mitglied Thomas Phleps verstorben

Prof. Dr. Thomas Phleps (*1955 – †2017)

Ein Nachruf von Dr. Ralf von Appen/JLU Gießen (hier veröffentlicht mit freundlicher Erlaubnis):

Geboren am 2.9.1955 in Bad Hersfeld, studierte Thomas Phleps in Marburg und Kassel, wo er 1981/83 Staatsprüfungen für das Lehramt an Mittel- und Oberstufen in den Fächern Musik, Deutsch und Philosophie ablegte. Von 1983-1994 war er Lehrbeauftragter für Musikwissenschaft und Gitarre an der Universität Gesamthochschule Kassel. Dort promovierte er 1987 bei Helmut Rösing mit der Dissertation „Hanns Eislers ‚Deutsche Sinfonie’. Ein Beitrag zur Ästhetik des Widerstands“. Zugleich arbeitete er als Bühnenmusiker und als Jugendreferent am Staatstheater Kassel, ab 1989 gab er als Musik- und Deutschlehrer Sprach- und Abiturkurse für Exilberechtigte. Er baute das Kasseler „Musikzentrum im Kutscherhaus“ auf und war wissenschaftlicher Begleiter des Modellprojektes „Musik aktiv im Kasseler Osten“.

1995 erfolgte die Berufung auf die Hochschuldozentur für Musikpädagogik an der JLU Gießen, wo er sich 2000 für die Fächer Musikwissenschaft und Musikpädagogik habilitierte („Zwischen Spätklassik und HipHop – Methoden und Modelle. Musikanalytische, musikhistorische und musikdidaktische Studien“). Nach kurzer Zeit als Professor am Studiengang Musik/Musikwissenschaft der Universität Bremen (2001-2003) kehrte er im Oktober 2003 als Professor für Musikpädagogik an die JLU Gießen zurück.
1997 wurde Thomas Phleps in den Vorstand des Arbeitskreises Studium Populärer Musik (seit 2014: Gesellschaft für Popularmusikforschung) gewählt und seitdem sechsmal in diesem Amt bestätigt. Seit 1998 hat er 19 Bände der Beiträge zur Popularmusikforschung, seit 2002 auch das Online-Journal SAMPLES herausgegeben. Neben all diesen ehrenamtlichen Tätigkeiten war er immer auch als Musiker aktiv: Von 1986-2000 zugleich als Arrangeur und Leiter des Hanns Eisler Ensemble wie auch der Out of Reach Blues Band, der Blues Big Band, seit 2000 der Soul’n’Blues-Band Beat That Chicken.
In Forschung und Lehre widmete Thomas Phleps sich der Musik und – wie er es nannte – den „musikalischen Umweltverhältnissen“ des 20. und 21. Jahrhunderts. Dabei ist als roter Faden ein Engagement für Außenseiter, Benachteiligte und Verfolgte nicht zu übersehen – an der Affirmation des Etablierten hatte er keinerlei Interesse. Als erstes ist dabei an seine umfangreichen, international anerkannten Pionierarbeiten zu den Exil-Komponisten Hanns Eisler und Stefan Wolpe zu denken. Ab 1993 wirkte er im Editorial Committee der Stefan Wolpe Society mit, seit 2010 war er Editionsleiter (Noten) der Hanns Eisler Gesamtausgabe (HEGA). Ein zentrales Anliegen war ihm daneben die Aufdeckung der nationalsozialistischen Vergangenheit der Musikpädagogik und -wissenschaft, zu der er Wesentliches beigetragen hat.
Thomas’ Leidenschaft galt der Black Music, dem Soul, Funk und Jazz, insbesondere aber dem (Pre-War-)Blues; seine Kenntnisse auf diesem Gebiet sind nicht anders als enzyklopädisch zu bezeichnen. Seine Seminare zu Jimi Hendrix, Frank Zappa und Captain Beefheart waren die ersten und wohl auch einzigen dieser Art. Kanonbildungen und verklärenden Heldengeschichten wirkte er dabei – bei allem Enthusiasmus für die Musik – mit einer Kombination aus profunder musikanalytischer und sozialgeschichtlicher Kompetenz entgegen. Aber auch den deutschen Schlager mitsamt seinem gesellschaftlichen Überbau analysierte er immer wieder messerscharf.
Als Musikpädagoge setzte er alles daran, ein System zu reformieren, unter dem er selbst als Schüler gelitten hatte. Gegen die Fortschreibung eines bürgerlichen Kunstverständnisses, das um den Kanon „großer Meister“ und Notenfixiertheit kreist, setzte er Handlungskonzepte, aktivierende Projektmethoden und vor allem die Auseinandersetzung mit Musiken der Gegenwart. In seiner akademischen Lehre musste man selbst aktiv werden; standardisierte Lehrveranstaltungen – gar Vorlesungen –, in denen man Bildung bequem passiv konsumieren konnte, waren ihm zuwider. Stattdessen traute er seinen Studierenden – und auch seinen Mitarbeitern – immer zu, kritisch zu sein und eigene Lösungen zu finden, ohne sie auf dem Weg dorthin je allein zu lassen. Mit seiner Methode der gezielten Verunsicherung und dem beständigen Hinterfragen vermeintlich gesicherten Wissens konnte und wollte er vor allem Studienanfänger irritieren – aber genau diese grundlegend kritische Haltung machte ihn für viele, die bei ihm studiert haben, dann zum (nicht nur akademischen) Vorbild. Als Geschäftsführender Direktor hat er das Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik beständig reformiert und erweitert, den Schwerpunkt Populäre Musik dabei systematisch und nachhaltig ausgebaut. Dass die JLU Gießen heute eine umfassende Lehramtsausbildung auch für die gymnasiale Oberstufe anbietet, in der gegenwärtige Musiken in Theorie und Praxis entgegen herrschender Verhältnisse fest implementiert sind, ist allein seiner Hartnäckigkeit zu verdanken.
Thomas war herzlich, bescheiden und ohne jede Eitelkeit. Für die Belange der Studierenden und seiner Mitarbeiter hat er sich mit großem Engagement eingesetzt, er nahm sich viel Zeit und hörte zu, ohne dass man ihn darum erst bitten musste. Wer ihn gekannt hat, war beeindruckt von seiner unermüdlichen Bereitschaft, klare Positionen zu beziehen, Kritik zu üben, Verantwortung zu übernehmen und für seine Ideale einzustehen. Unter Konflikten hat er gelitten; trotzdem ist er ihnen nie aus dem Weg gegangen. Hierarchien waren ihm fremd, wenn sie sich nicht auf die Werte stützten, für die er mit allem einstand und auf denen seine eigene Autorität basierte: Ehrlichkeit, Vertrauen, Loyalität. Gerade weil er die ausgetretenen Pfade weiträumig gemieden hat, hat er so viele, so tiefe Spuren hinterlassen.
Thomas Phleps verstarb am 5.6.2017 völlig überraschend und viel zu früh an einem Herzinfarkt.
so long, thomas

Preis für Deutschen Jazzjournalismus an das Radio Jazz Research-Mitglied Martin Laurentius

Martin Laurentius wurde auf der jazzahead! mit dem Preis für deutschen Jazzjournalismus ausgezeichnet. (c) Jan Rathke / Messe Bremen
Der Vorstand und die Geschäftsführung von Radio Jazz Research gratulieren Martin Laurentius zur Auszeichnung mit dem Preis für deutschen Jazzjournalismus.
Auszug aus der offiziellen Mitteilung:

 

Martin Laurentius erhält Preis für deutschen Jazzjournalismus auf der jazzahead! in Bremen

Auf der internationalen Jazzfachmesse jazzahead! in Bremen wurde heute zum vierten Mal der Preis für deutschen Jazzjournalismus vergeben. Der diesjährige Preisträger ist Martin Laurentius, der den Preis persönlich vor Ort entgegen nahm. „Reaktionen auf die Arbeit von Jazzjournalisten sind eher die Ausnahme – bei den Auftraggebern ebenso wie bei Musikern oder Lesern. Das ist auch gut so, weil wir dadurch eine professionelle Distanz zur Szene bekommen. Deshalb ist es umso schöner, meine Distanz fahrenzulassen und für einen kurzen Moment selbst im Rampenlicht zu stehen, weil ich mit dem Preis einerseits für mein „tagtägliches“ Kleinklein der teils mühsamen Arbeit am Schreibtisch ausgezeichnet werde, andererseits die Qualität meiner journalistischen Themen und meines Schreibens gewürdigt und anerkannt wird.“, so der Preisträger.“

 

Weiterlesen auf www.jazzahead.de

Langjähriges Radio Jazz Research-Mitglied Ekkehard Jost verstorben

Ekkehard Jost (Foto: Wilfried Heckmann)

Ekkehard Jost (*22.1.1938 – †23.3.2017)

Mit geradezu feuilletonistischer Eloquenz stellte er profunde historische Bezüge sowohl zu den verschiedenen Landesszenen her als auch rüber in die USA. Jost, 1938 in Breslau geboren, war einer der Musikwissenschaftler, dem es stets gelang, den Elfenbeinturm zu verlassen und unterhaltend über sein Forschungsgebiet zu sprechen: über den Jazz in seinen vielfältigen stilistischen Ausprägungen.

Denn Jost war selbst auch Musiker: Als geschmeidig phrasierender Baritonsaxofonist sorgte er schon während seines Studiums von 1959 bis 1965 in Hamburg für Aufsehen in der deutschen Jazzszene. Und weil er als Musiker anerkannt war und von seinen Kollegen geschätzt wurde, konnte er seine Arbeitsbereiche gut miteinander verbinden. Für seine Habilitation zum Thema „Free Jazz“ lebte Jost zum Beispiel längere Zeit in New York, um direkt vor Ort mit den Protagonisten dieser „revolutionären“ Musikgattung zu sprechen und deren Projekte musikwissenschaftlich zu analysieren. Ein weiteres Standardwerk ist seine „Sozialgeschichte des Jazz in den USA“, mit dem er die teils schwierigen Lebens- und Arbeitsbedingungen der US-amerikanischen Musiker beschreiben und analysieren konnte.

Von 1973 bis zu seiner Emeritierung 2003 leitete Jost als Professor das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Gießen, außerdem war er Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Internationalen Gesellschaft für Jazzforschung Graz und hatte unter anderem Lehraufträge in Marburg, Hamburg und Frankfurt. Doch neben seiner Karriere als Wissenschaftler mit internationalem Ruf blieb Jost zeitlebens Jazzsaxofonist, der kontinuierlich mit befreundeten Musikern (der Kontrabassist Dieter Manderscheid beispielsweise, oder der Schlagzeuger Joe Bonica) seine Projekte realisierte und auf seinem eigenen Label, Fish Records, veröffentlichte. Josts WDR-3-Sendereihe „Jazzgeschichten aus Europa“ ist 2012 dann als Buch im Wolke Verlag erschienen. Dieses so Jost-typische Kompendium wird seine letzte Veröffentlichung zu Lebzeiten sein: Der Musikwissenschaftler und Jazzmusiker Ekkehard Jost ist in der Nacht des 23. März in Marburg im Alter von 79 Jahren gestorben.

Ein Nachruf von RJR-Mitglied Martin Laurentius