6. Arbeitstagung in Moers | 12. Mai 2008

Jazz in Germany

Beim moers festival 2008 veranstaltete „Radio Jazz Research“ in Zusammenarbeit mit dem Kulturradio WDR 3 erstmals ein „Kulturpolitisches Forum WDR 3“ zum Thema: „Jazz in Germany“. Sechs Fachjournalisten diskutierten am Pfingstmontag, den 12. Mai 2008 das Thema „Jazz in Germany – Gedanken über Festivals, Platten und Jazz-Radios“.

Dabei ging es um die Differenz zwischen gut ausgebildetem Jazznachwuchs, lebendigen Jazz-Communities und Festivals in Deutschland auf der einen wie der kaum festzustellenden öffentlichen Wahrnehmung dieser Vielfalt auf der anderen Seite. Es wurden Fragen erörtert: „Wie ist es um den Jazznachwuchs bestellt?“ „Warum findet Jazz in Deutschland so selten eine Resonanz in der öffentlichen Meinung?“ „Warum zieht sich das Feuilleton der deutschen Tageszeitungen aus der Jazzberichterstattung zurück?“ „Besitzt die Pop-Kritik das größere Diskurs-Potential?“

Es diskutierten Ralf Dombrowski (Spiegel Online, Jazzzeitung), Martin Woltersdorf (Kölner Stadt- Anzeiger), Stefan Hentz (Die Welt, Die Zeit), Wolf Kampmann (Jazz thing, Jazzthetik) und Wolfgang Rauscher (Jazzzeit). Moderator war Bert Noglik.

5. Arbeitstagung in Amsterdam | 14. bis 15. Februar 2008

5. Arbeitstagung, 14. bis 15. Februar 2008 in Amsterdam

Dutch Swings

Am 14. und 15. Februar 2008 trafen sich die Mitglieder von „Radio Jazz Research” mit holländischen Kollegen in Amsterdam. In den Niederlanden sind Jazz und improvisierte Musik gesellschaftlich weitaus stärker anerkannt als beispielsweise in Deutschland. Zahlreiche Hochschulen bilden Jazzstudenten aus. Die Szene stützt sich auf gefestigte Förderstrukturen. Das alle zwei Jahre von der „Dutch Jazz Connection” veranstaltete „DutchJazzMeeting“ ist eine spannende Leistungs- und Werkschau des holländischen Jazz. Auf größeren und kleineren Festivals – wie etwa das „North Sea Jazz Festival“ in Rotterdam oder der „ZomerJazzFietsTour” in Groningen – teilen sich holländische Musiker die Bühne mit internationalen Jazz-Acts. Mit dem Bimhuis/Musziegebouw in Amsterdam hat Holland eine der weltweit bedeutendsten Spielstätten für improvisierte Musik.

Das Tagungsprogramm

  • Paul Gompes Förderstrukturen in den Niederlanden
  • Sebastian Ohm/Susanne Alt Deutsche Jazzmusiker in den Niederlanden
  • Huub van Riel Besuch vom Bimhuis/Musziegebouw
  • Konzert Michael Moore
  • Vera Vingerhoed, Bert Vuijse, Ditmer Weertmann Jazz-Medien in den Niederlanden
  • Joop Mutsaers (Jazz in Arnhem) Jazzclubs in den Niederlanden
  • Michelle Kuypers (NSJF) Jazzfestivals in den Niederlanden: North Sea Jazz Festival

Anlass des RJR-Besuches lässt sich feststellen, dass es weniger mangelnde Kenntnisse über holländische Musiker und Bands gibt, der Informationsbedarf über Infrastruktur und kulturpolitische Rahmen- bedingungen entsprechend hoch ist. Daran hat sich – auf den ersten, flüchtigen Blick – seit Dekaden wenig geändert. 1986 schrieb Ekkehard Jost in „Europas Jazz 1960-80“: „Tatsächlich ist die Jazzszene in den Niederlanden seit geraumer Zeit in einem Maße organisiert, mit den kulturellen Institutionen des Staates liiert und durch diese subventioniert, wie dies in keinem anderen Land der Welt der Fall ist.“ 22 Jahre nach Josts Analyse fällt das Fazit kaum anders aus. Paul Gompes von der „Dutch Jazz Connection“ bringt Licht ins Dickicht der „Förderstrukturen in den Niederlanden“, klärt auf über Fonds und funds, ministries und subsidies. Und immer wieder fällt das Zauberwort Stichting, Stiftung.

Nicht minder kompliziert ist die Rundfunk-Struktur für den Außenstehenden. Ein Satz, der wohl am ehesten hängen blieb: „25 years ago we had much more jazz on radio than now“, ein ernüchterndes Fazit der Jazzredakteurin Vera Vingerhoeds. Das Thema „Jazz-Medien in den Niederlanden“ komplettieren der Print-Journalist Bert Vuijse und Ditmer Weertman vom „Nederlands Jazz Archief“.

Jazz in den Niederlanden: Das ist auch eine ästhetische Standortbestimmung. Was Kevin Whitehead in seiner Publikation „New Dutch Swing“ formulierte, wird in einem jüngst von der „Stichting Gaudeamus“, der „Stichting Donemus“ und der „Dutch Jazz Connection“ herausgegebenen Buch über (Improvisierte) Musik in den Niederlanden aufgegriffen. Im Einleitungskapitel „Typically Dutch“ (sic!) heißt es: „The very lack of uniformity and conformism, the atypical or even antitypical is, paradoxically, closer to what defines the typically Dutch: this doesn’t sound like Stockhausen, not like Adams, not like Sclavis, not like Marsalis, but it does sound good, this might well be Dutch music“.

Institutionalisiertes Epizentrum dieser Ästhetik und Haltung ist: das Bimhuis. Nach der RJR-Tagung im Bimhuis, ist der Abend den Konzerten vorbehalten. Der Abend eröffnet mit einem Konzert des Michael Moore Quintet, der Band eines US-Amerikaners, der vor 30 Jahren begann, engere Bande zur holländischen Szene zu knüpfen, und seit 1985 in Amsterdam lebt. „I was lost in New York, I didn’t know exactly what I wanted to do, and I wasn’t ambitious and I didn’t go out and talked to people about myself and all that”, schildert Moore im Interview mit Karsten Mützelfeldt seine Beweggründe, nach Amsterdam überzusiedeln. „So I was happy to live in Amsterdam! It seems like everything was much more relaxed and you didn’t have to spend 70 percent of your income on rent“. Auch wenn manche das jahrelange Mitglied des ICP Orchestra (jährliche Förderung: 94.299 €) rauer und lauter kennen. Mit seinem melancholisch-lyrischen Quintett sucht er einen Ausgleich zur extrovertierten freien Spielweise der Großformation.

Szenenwechsel: ein anderer jazzmusikalischer Spielplatz, das Café Alto. Dort spielt Susanne Alt, Altsaxofonistin. Die gebürtige Würzburgerin ist alles andere als eine ästhetische Gesinnungsgenossin Moores, als Wahlamsterdamerin teilt sie jedoch mit ihm eine Schicksalsgemeinschaft. In ihrem Vortrag am nächsten Tag berichtet sie mit dem ebenfalls in Holland lebenden Saxofonisten Sebastian Ohm über „Deutsche Jazzmusiker in den Niederlanden“. Darüber, dass es auch in den holländischen Konservatorien jenen Richtungsstreit gibt, die Spaltung in ein konservatives, verschultes, an Tradition und Handwerk orientiertes Studium auf der einen, und ein offeneres, stärker die eigene Originalität förderndes Studium auf der anderen Seite. Und dass angesichts eines sehr hohen Prozentsatzes deutscher Studenten weiterhin – wenn auch längst nicht mehr so spürbar wie noch vor einigen Jahren – eine latent antideutsche Stimmung herrscht.

4. Arbeitstagung in Bielefeld | 4. und 5. September 2007

Jazz und Internet

Während die Presse, wie wir sie kennen, mit großen Problemen zu kämpfen hat und der herkömmliche Vertrieb von Musik seine Zeit überschritten zu haben scheint, konzentrieren sich viele Hoffnungen von Musikern und Musikinteressierten auf eine glänzende Zukunft im Internet.

Das Tagungsprogramm

  • Marco Jung web 2.0 – Eine Einführung
  • Oliver Schäfer Musiknutzung im Internet – rechtliche Rahmenbedingungen und Vertragsgestaltung
  • Barbara Buchholz, Hanna Bächer, Frank Sackenheim, Mod. Odilo Clausnitzer MySpace – Kommunikation im Web 2.0
  • Julian Finn Kulturflatrate – Alternativen zum Urheberrecht im WWW
  • Jörg Heyd Weblog – „Neue“ Formen im Musikjournalismus
  • Michael Rüsenberg Die Jazzcity Net Edition

Als Instrument zur Gründung von neuen Netzwerken hat das Internet sich längst bewährt. In Frage steht noch, ob es den Austausch von Neuigkeiten, Einschätzungen und Informationen fördert. Angesprochen werden vor allem Musiker, die in den weniger dicht besiedelten Sektoren ihrer Kunst arbeiten und sich über das Internet einen direkten Weg zu ihrem – auch zahlenden – Zielpublikum bahnen.

3. Arbeitstagung in Graz | 20. bis 22. April 2007

Aktuelle Tendenzen im Jazz
(in Kooperation mit dem Institut für Jazzforschung an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz und der Internationalen Gesellschaft für Jazzforschung)

Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, kreiste der Kongress um die Problematik, dass seit etwa 1980 im Jazz keine ausgeprägte und dominierende Stilistik zu beobachten ist. Damit entfallen die harschen Auseinandersetzungen um die stilistische Hegemonie, wie sie in früheren Zeiten die Jazzpublizistik prägten, abgesehen von den Auseinandersetzungen um Wynton Marsalis, der die Repertoirepflege und Weiterentwicklung bestehender musikalischer Modelle höher gewichtete als die Entwicklung neuer Ausdrucksweisen. Statt von hegemonialen „Stilen“ ist nun die Rede von „stilistischen Tendenzen“, die aus den verschiedenen Perspektiven des Musikwissenschaftlers, des Jazzhistorikers, des Musikjournalisten sowie des Jazzpädagogen und des praktischen Musikers analysiert wurden. Und bei aller Widersprüchlichkeit und Vielgestaltigkeit verdichtet sich das Feld der „stilistischen Tendenzen“ wieder zu einem stimmigen Gesamtbild.

Das Tagungsprogramm

  • Franz Krieger (Graz) Zur aktuellen harmonischen Sprache in Jazz und Popmusik
  • Stuart Nicholson (London) Jazz and Globalisation
  • Herbert Hellhund (Hannover) Jazz heute: Eine Kunstform im Zeitalter ihrer pädagogischen Multiplizierbarkeit
  • Heinrich von Kalnein (Graz) Jazz it up! – Gedanken zur Situation des Jazz im 21. Jh. aus der Sicht eines Praktikers
  • Günther Huesmann (Berlin) „Sanhedrin“ – John Zorns Band Masada und die Radical Jewish Culture
  • Michael Kahr (Graz) Aktuelle Tendenzen in der Jazztheorie
  • Edward Anthony Partyka (Graz) Neue Wege in der Arrangiertechnik für Vocal und Big Band
  • Philipp Straske (Graz) Wiedergeburt oder Weiterentwicklung? – Das Erbe des Hard Bop im Jazz der letzten 25 Jahre
  • Bernd Hoffmann (Köln) Regionale Struktur – nationale Perspektive. Die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der deutschen Jazzlandschaft
  • Reiner Michalke (Köln) Aktuelle Jazzfestivals in Europa – Versuch einer Bestandsaufnahme
  • Wolfgang Tozzi (Graz) Die Avantgarde im Latin Jazz der letzten 25 Jahre
  • Gerd Grupe (Graz) Ethnomusikologische Ansätze in der neueren Jazzforschung
  • Christa Harig (Graz) Grooves im Jazz – Historie und Aktualität
  • Manfred Straka (Graz) Die letzten 25 Jahre aus der Sicht eines Jazzhistorikers.
  • Abschlussdiskussion

Die Beiträge der 14 Referenten aus England, Deutschland und Österreich wurden in Bd. 40 (2008) des Jahrbuches „Jazzforschung/Jazzresearch“ publiziert. Am Samstag, den 21. April 2007 fanden ab 20.30 Uhr im ORF-Landesstudio Steiermark Jazzkonzerte mit Ensembles aus dem Umfeld des Instituts für Jazz an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz statt, die Ö1 (ORF) in Zusammenarbeit mit WDR 5 (WDR) zusammen mit Berichten und Interviews zum Kongress im Rahmen einer „Langen Nacht des Jazz“ am 21./22. April 2007 ausstrahlte.

2. Arbeitstagung in Münster | 4. bis 5. Januar 2007

2. Arbeitstagung, 4. bis 5. Januar 2007 in Münster

Jazz in Österreich

Die zweite Arbeitstagung fand am 4. und 5. Januar 2007 im Vorfeld des 21. Internationalen Jazzfestivals Münster statt. Auf Einladung des Festivalmachers Fritz Schmücker tagten 22 Teilnehmer aus Österreich und Deutschland im Parkhotel Schloss Hohenfeld. Der Themenschwerpunkt lag auf einer Präsentation der österreichischen Jazzszene, der Festival- und Clublandschaft sowie der musikwissenschaftlichen Arbeit in der Alpenrepublik.

Tagungsprogramm

  • Michael Rüsenberg Szene NRW – Jazzstädte, ein kulturpolitisher Report
  • Wolfgang Rauscher Schreiben und Sprechen über das Hören – (Jazz-)Medien in Österreich
  • Odilo Clausnitzer D’r Hackl-Franz – Macher des Outreach Festivals
  • Max Hendler Beat contra Clave – Rhythmishe Konzepte amerikanischer Musik
  • Martin Gansinger, Mod.Jörg Heyd Felix Austria? – Die Jazzwerkstatt Wien
  • Christoph Huber (Porgy & Bess, Wien), Konnie Vossebein (Bunker Ulmenwall, Bielefeld), Mod. Andreas Felber Jazzclubs – Kulturträger oder private Liebhaber-Ecken?
  • Paul Zauner (Inntöne, Diersbach/A), Fritz Schmücker (Jazzfestival Münster), Mod. Herbert Uhlir Konkurrenz oder Kooperation – Jazzfestivals in Europa
  • Günther Huesmann Game Pieces, Mixed Pickles And Assorted Candies – Kompositorische Strategien bei John Zorn

Was weiß man hierzulande überhaupt über den österreichischen Jazz? Auf den ersten Blick fällt einem der in Wien geborene Joe Zawinul ein, der sich Ende der 1950er-Jahre als einer von wenigen Europäern in den USA als Jazzmusiker durchsetzen konnte. In den letzten Jahrzehnten war es das „Vienna Art Orchestra“, das über die Grenzen der Alpenrepublik hinaus auf große Resonanz stieß. Wenn in den 1950er- und 1960er-Jahren im Ausland auf die deutsche Szene geschaut wurde, sprach man dort oft vom „Kollerland“ – nach dem Saxofonisten Hans Koller, der als Österreicher in den Jahren nach dem Krieg auch den deutschen Jazz mitprägte. Tatsächlich ist die historische Entwicklung der österreichischen und der deutschen Szene vergleichbar: Jazz-Musiker, die schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den Army-Clubs Jazz spielten, das darauf folgende Kopieren der US-amerikanischen Vorbilder, die „Kaputtspielphase“ durch den Free Jazz, die multistilistischen, post-modernen Experimente seit den 1970ern, das kreative Erforschen des eigenen kulturellen Terrains.

Aber wo steht der Jazz aus Österreich heute? Wie stellt man sich dort im internationalen Vergleich auf? Gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Szenen in Österreich und Deutschland? Diesen und anderen Fragen ging „Radio Jazz Research“ auf seiner zweiten Arbeitstagung in Münster nach.

1. Arbeitstagung in Heimbach | 27. bis 28. September 2006

1. Arbeitstagung, 27. bis 28. September 2006 in Heimbach

Die erste Arbeitstagung von Radio Jazz Research im Eifelörtchen Heimbach als Experimentierfeld: Wie erzeugt man ein produktives und fruchtbares Diskussionsklima? Welche Formen und Methoden sind probat, um Thesen und Ideen vorzustellen? Wie lässt sich der Diskurs über jazzmusikalische Themenfelder anstoßen und befeuern?

Tagungsprogramm

  • Reiner Michalke/Michael Rüsenberg Europäische Festivals: Moers – zur Anatomie eines europäischen Festivals
  • Robert von Zahn Die deutsche Umsetzung der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt und der Jazz
  • Martin Laurentius/Dietmar Hagen Horn Präsentation der RJR-Website
  • Jügen Arndt Nostalgie im Jazz der Gegenwart
  • Herbert Uhlir Die österreichische Jazz-Szene
  • Vorstand RJR Perspektiven der Arbeit des RJR

Diese erste Tagung von Radio Jazz Research in der Eifel war ein vorsichtiges Herantasten und Ausprobieren. Dr. Robert von Zahn, Generalsekretär vom Landesmusikrat NRW, präsentierte zum Beispiel in einem „Impulsreferat“ die „Die deutsche Umsetzung der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt und der Jazz“ – die Thesen kurz angerissen und knapp vorgestellt, um eine anschließende Diskussion der Teilnehmer zu befruchten. Oder das moderierte Gespräch: Der Journalist Michael Rüsenberg und der moers- Festivalleiter Reiner Michalke ließen sich vor dem Plenum auf einen „Streit“ über die „Anatomie eines europäischen Festivals – moers festival“ ein. Doch auch für solche Fachtagungen „klassische“ Formen blieben nicht außen vor: Dr. Jürgen Arndt referierte über die „Nostalgie im Jazz der Gegenwart“ anhand von Beispielen akuteller Jazzsängerinnen wie etwa Cassandra Wilson.

Das Experiment in Heimbach ist jedenfalls geglückt, wie es gleich die zweite Tagung in Münster demonstrierte: Mit dem in Heimbach erprobten Methoden-Mix wurde dort multiperspektivisch die „Jazzszene Österreich“ betrachtet und analysiert – und mit der deutschen Szene in Beziehung gesetzt.